Am 11.06.2016 sind wir per Fahrrad, von Turkmenistan kommend, nach Usbekistan eingereist. Hier wollten wir uns die Städte Buchara, Samarqant und Taschkent ansehen und das Land nach maximal 30 Tagen Richtung Tadschikistan wieder verlassen.
In Taschkent wollten wir uns um das Visum für China kümmern. Denn nach Tadschikistan, Kirgistan und Kasachstan stand China auf unserem Reiseplan.
Unsere Tipps für Radreisen in Usbekistan.
Unser Reisebericht über Usbekistan:
* Dieser Beitrag enthält Werbelinks.
Unsere Route durch Usbekistan auf OpenStreetMap
Samstag, 11.06.16
Um 12 Uhr waren die Grenz-Formalitäten abgeschlossen. Wir waren in Usbekistan angekommen.
Wir machten uns auf den Weg Richtung Buchara. Die Straße war miserabel und anstrengend zum Radeln. Vor uns lagen 100 km Straße durch Wüstenland. Die Hitze und der ständige Gegenwind zermürbte auf Dauer. Wir versuchten, zu trampen, doch heute war es wie verhext. Es war sehr wenig Verkehr auf dieser grenznahen Straße. Nur alle 5 min kam ein Auto vorbei.
Zuerst hielt ein 40-Tonner-LKW aus dem Iran. Der Laderaum war versiegelt, aber unter dem LKW wäre Platz. Ich kroch unter den Laster und versuchte, mir vorzustellen, wie die Räder fixiert werden könnten. Letzten Endes war mir die Sache dann doch zu heikel. Er fuhr weiter … und hielt nach 100 m wieder. Im Windabweiser über der Fahrerkabine wäre auch noch Platz. Ich kletterte hoch und empfand den Platz als zu eng. Schade.
Dann sagte der Fahrer: Wir trinken jetzt erst einmal Tee. Er holte drei Hocker aus der Seitenbox, warf den Gaskocher an, setzte Wasser auf, … und zehn Minuten später gab es Tee. Wir unterhielten uns über seine Heimatstadt Esfahan. Da konnten wir ja jetzt mitreden. Und etwas Farsi hatten wir ja auch gelernt. Später kam noch ein Ziegenhirte vorbei und gesellte sich zu unserer Runde. Er war verschleiert wie ein Targi, ein Vertreter der Tuareg. Wir tranken auf „Druschba“, die Freundschaft. Eine nette Begegnung.
Wir fuhren dann mit den Rädern weiter. Kein Wagen hatte Platz oder schien uns geeignet. Als wir dann Pause unter einem Baum unweit der Straße machten, fuhr ein Pickup mit leerer Ladefläche vorbei. Mir blieb der Bissen im Hals stecken. Das wäre es gewesen. Aber diese Chance war verpasst.
Nach der Pause kämpften wir uns weiter durch den Wind. Um 18 Uhr kam dann doch noch ein leerer Pickup vorbei. Er hielt und fuhr uns die restlichen 80 km nach Buchara. Die Straße war stellenweise extrem buckelig. Es gab immer wieder harte Schläge vom Fahrwerk. Unsere Räder hoben mehrfach ab auf der Ladefläche. Aber sie haben alles ohne Schaden überlebt. Ich hätte nur unsere Sitz-Pads besser fixieren sollen; die hatte der Fahrtwind nämlich mitgerissen.
In Buchara kontaktierten wir unseren Warm Showers Kontakt „Rakhima“ und wurden abgeholt. Dann gab es noch einen entspannten Tagesausklang auf der Terrasse.
Sonntag, 12.06.16
Die Nacht war unerträglich heiß. Unser Schlafraum hatte keine Klimaanlage und die Mücken summten uns ständig um die Ohren. Nach dem Frühstück fuhren wir in die Stadt. Ich musste die Sohlen meiner neuen Schuhe beim Schuster kleben lassen. Der Hund in Farap hatte so fleißig daran herumgenagt, dass die Sohle sich an einigen Stellen abgelöst hatte. Wir nutzen die eine Stunde Wartezeit für einen Besuch auf dem nahe gelegenen Markt und probierten gefüllte Teigtaschen aus einer usbekischen Backstube.
Dann ging es weiter zur Post. Und endlich war es möglich, die schweren Bücher, die wir erstanden hatten, in die Heimat zu senden. Mit 11 US-Dollar war das Paket gar nicht mal teuer. Im Iran wollten sie 34 – 40 Euro dafür haben. Lediglich den Koran in Farsi mit englischer Übersetzung, ein Geschenk aus der Shah-Cheragh-Moschee in Shiraz, durften wir nicht versenden. Den gaben wir am späten Nachmittag einer deutschen Touristin samt Porto mit auf den Weg nach Deutschland. Im Fluggepäck geht das problemlos durch die Kontrollen.
Nach einem Eis machten wir uns auf den Weg ins Zentrum. Dort warteten eine ganze Reihe sehenswerter orientalischer Gebäude aus 1000 Jahren Geschichte auf uns. Ähnlich wie in Esfahan und Shiraz gibt es hier in Buchara reich verzierte Moscheen und Medressas: Kalon Moschee samt Minarett, Mir-i-Arab Medressa, Bolo-Hauz-Mosque, Ulughbek Medressa, Abdul Aziz Khan Medressa, Kuheldash Medressa, Nadir Divanbegi Medressa, Labi-Hauz, Ismail Samani Mausoleum, Abdullah Khan Medressa und Modar Khan Medressa. Es gibt noch mehr zu besichtigen, aber uns reichte dieses Programm.
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Filmclips zu Bucharas Sehenswürdigkeiten: Clip1 Clip2
Montag, 13.06.2016
Annett wollte heute ihren ramponierten Schneidezahn reparieren lassen. Und zufällig war ein Verwandter von Rakhima Zahnarzt in der Stadt. Die Behandlung dauerte gut eine Stunde und der Zahn sah danach aus wie neu. Annett war begeistert. Der Zahnarzt war ein Künstler seines Faches und die Behandlung kostete nur 30 US-Dollar.
Im Anschluss wollten wir unsere Besichtigungstour von gestern fortsetzen. Doch dazu kam es nicht mehr. Ich hatte urplötzlich eine Magenverstimmung, die mich den ganzen Tag beschäftigen sollte. Da war Bettruhe angesagt. Ich hatte wohl ungenießbares Wasser in meine Trinkflaschen abgefüllt.
Derweil beschaffte Rakhima uns eine SIM-Karte und organisierte unsere polizeiliche Registrierung über ein kleines Hotel in der Stadt. Diese Registrierung ist Pflicht in den ersten drei Tagen nach der Anreise.
Am Abend ging es mir wieder etwas besser. Ich wollte die letzten Stunden unseres Aufenthaltes noch für einige Recherchen im Internet nutzen. Kaum saß ich am PC von Rakhima, da fiel der Strom aus. Und damit war auch der Internet-Zugang tot. Als wir später schlafen gingen, war der Strom wieder da. Das war dumm gelaufen.
Dienstag, 14.06.2016
Wir packten und verabschiedeten uns. Es war sehr stürmisch heute. Und der Wind wirbelte dabei viel Sand in die Luft. In Verbindung mit dem Gegenwind war das nicht besonders angenehm beim Radeln. Wir hatten ständig Sand in den Augen und zwischen den Zähnen knirschte es.
In einer Pause am Straßenrand hielt plötzlich ein Auto, ein Mädel sprang heraus und wollte wissen, wo wir herkommen. Aus Deutschland. Da war sie begeistert und bat ihren Vater, uns nach Hause einzuladen. Sie erlerne die deutsche Sprache und freue sich, ihre Sprachkenntnisse zu trainieren. Der Vater lotste uns per Auto nach Hause.
Kurz vor der Haustüre gab es ein lautes Knack-Geräusch aus der Hinterrad-Nabe von Annetts Fahrrad. Erste Diagnose: der Freilauf ist kaputt.
Auf dem Hof unseres Gastgebers baute ich dann sofort das Hinterrad aus, entfernte die Kassette und versuchte, den Freilauf zu bewegen. Mit Gewalt bekam ich ihn dann wieder gängig. Jetzt bereute ich, dass ich nicht 2 Ersatz-Freiläufe mitgenommen hatte. Denn es war absehbar, dass bald ein Austausch notwendig sein wird. Und hier in Usbekistan wird nicht jeder Bikeshop die passende Nabe haben; da waren wir uns sicher.
Zum Dinner gab es Plov, das Nationalgericht von Usbekistan mit Reis, Karotten und Fleisch. Dazu wurde russischer Wodka serviert. Für meinen angeschlagenen Magen viel zu viel. Aber mein „danke, nein“ war wirkungslos. Rustam schenkte immer nach.
Mittwoch, 15.06.16
Der Sturm war vorbei. Mit 26 °C war es angenehm kühl (erstmalig seit einigen Wochen fiel die Temperatur unter 40 °C). Meinem Magen ging es immer noch nicht gut. Wir verabschiedeten uns und fuhren Richtung Samarqand, unserer nächsten Stadt. Die Straße verlief leicht ansteigend durch unspektakuläre Landschaft. Wir hatten Gegenwind und die Straßendecke war in schlechtem Zustand. Das Radeln war mühsam.
Nach wenigen km klemmte der Freilauf an Annetts Fahrrad wieder fest. Den nächsten Bikeshop vermuteten wir in Samarqand, 250 km entfernt. Wir versuchten zu trampen, doch auch heute hatten wir wenig Glück. Ein 40-Tonner nahm uns gerade mal 13 km mit, dann musste er abzweigen. Seine Ladefläche war komplett leer, nur verstaubt. Das reichte aber, um unser gesamtes Gepäck und die Räder komplett weiß einzustauben. Ein zweiter LKW, ein uralter MAN, nahm uns mit bis Navoij. Nach einer Stunde vergeblichen Wartens auf die nächste Mitfahrgelegenheit suchten wir uns einen Zeltplatz.
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Filmclip zur Fahrt im MAN: Clip
Ein kurzer Exkurs zum „Freilauf“: Der Freilauf sitzt auf der rechten Seite der Hinterrad-Nabe und nimmt das Ritzelpaket (die Kassette) auf. Er überträgt die Tretkraft auf das Hinterrad; ist also der Mitnehmer. Pedaliert man rückwärts, findet keine Kraftübertragung auf das Hinterrad statt; daher der Name „Freilauf“. Sind die Sperrklinken im Freilauf verschlissen oder zerstört, kann im schlimmsten Fall die Mitnehmer-Funktion ausfallen: Der Freilauf rutscht dann durch. Und damit wird aus dem Fahrrad ein Roller ohne Antrieb. Auf langen Strecken ohne Städte wäre das der Super-GAU.
Meine Laune war im Keller. Ein ruinierter Freilauf, die Befürchtung, in Samarqand keinen passenden Ersatz zu finden, meine Magenverstimmung, die Ungewissheit, ob wir in Tashkent ein Visum für China erhalten, … all das beschäftigte mich so sehr, dass ich unsere Reise zurzeit nicht entspannt genießen konnte.
Donnerstag, 16.06.16
Um den Freilauf nicht weiter zu belasten, trampten wir die gesamte Strecke bis Samarqand. Heute hatten wir dabei mehr Glück: erst nahm uns ein LKW bis nach Kattaqo mit; im Anschluss bot uns jemand die Mitnahme in einem dieser vielen Daewoo-Minibusse an. Somit waren wir um 14 Uhr in Samarqand.
Wir fragten uns durch bis zu den „Bikeshops“. Das waren allerdings eher Spielzeugläden, die unter anderem Kinderfahrräder verkauften. Auf derselben Straße fanden wir dann noch eine richtige Fahrrad-Werkstatt, doch dessen Ersatzteil-Angebot beschränkte sich auf die alte russische Technik. Unseren Freilauf bzw. Shimano-Hinterradnaben suchten wir vergebens.
Es soll noch einen gut sortierten Laden am anderen Ende der Stadt geben. Doch so sehr wir uns bemühten, wir fanden ihn nicht. Und keiner konnte uns eindeutig den Weg erklären.
Irgendwann trennten wir uns: Annett blieb bei dem Bäcker, der uns gerade zur Übernachtung eingeladen hatte und ich suchte weiterhin den hochgepriesenen Bikeshop. Plötzlich fielen dicke Regentropfen. Ich suchte schnell Schutz unter dem Dach einer Tankstelle. Und dann platzte der Regen los. Eine Stunde lang schüttete es wie aus Eimern. Regenkleidung hatte ich nicht mit; die lag gut verpackt im Packsack auf Annetts Rad. Also hing ich erst einmal fest.
Nachdem der Regen durch war, fuhr ich zurück zu Annett. Die Suche nach dem Bikeshop hatte ich aufgegeben. Der Regen hatte die Straße stellenweise in einen Stausee verwandelt; mancher Gully war verstopft und das Wasser staute sich bis in die Läden. Es hatte die Dramatik eines Hochwassers.
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Filmclip zum Hochwasser: Clip
Abends nahm uns der Bäcker mit nach Hause. Wir luden ihn ins Restaurant ein, er spendierte die obligatorische Flasche Wodka. Und wieder versuchten wir, mit möglichst wenig Alkohol davon zukommen.
Freitag, 17.06.16
Nach Frühstück und Verabschiedung gingen wir auf Besichtigungstour: Amir Temur Mausoleum, Registan Square (hier stehen sich drei gigantisch große Medressas gegenüber: Ulugbek, Tillya-Kari und Sher-Dor), Tillokori Madrasasi und als finales Highlight Shah-i Zinda. Diese Fülle an Moscheen, Medressas und Mausoleen aus der Zeit 14. – 17. Jahrhundert ist schon einzigartig. Von den ursprünglichen Bauwerken standen im 20. Jh. größtenteils nur noch Ruinen (die Fotogalerie vor Ort zeigt den zerstörten Zustand). Durch die Rekonstruktion sind sie heute wieder zu bewundern.
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Filmclips zu Samarqand: Clip1 Clip2 Clip3
Wir verließen die Stadt und wollten trampen. Nach zwei Stunden hielt ein LKW und nahm uns mit bis Taschkent. Er war beladen mit Mehlsäcken. Da war absehbar, dass unser Gepäck schon wieder weiß eingestaubt wird. Nach 280 km erreichten wir um 23 Uhr Taschkent, die Hauptstadt von Usbekistan. Wir wollten wieder einen Warm Showers Kontakt nutzen für die kommenden Tage. Doch nur drei Mitglieder boten eine Telefonnummer für die Kontaktaufnahme und alle drei Nummern waren nicht mehr gültig. Da blieb uns nur das Zelt. An einem Denkmal hinter der Polizeistation fanden wir dann einen Zeltplatz unter den Bäumen.
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Filmclip zur Straßenqualität: Clip
Samstag, 18.06.16
Jetzt hatte es Annett erwischt: Sie hatte eine schlaflose Nacht wegen Magenproblemen und blieb am Morgen noch liegen. Das Wasser ist hier wohl nur selten zum Trinken geeignet. Ich nutzte die Zeit für die Reinigung unserer Ketten, Zahnräder und Schaltungen.
Um 11 Uhr stand dann fest: Wir lassen das Zelt am Ortseingang von Taschkent für eine zweite Nacht stehen. Ich fuhr ohne Packtaschen allein in die Stadt und fragte mich zu den Bikeshops durch. Der Austausch des defekten Freilaufes hatte oberste Priorität. Auf dem Weg bot man mir in einem Reisebüro noch den PC samt Internet an. Damit konnte ich noch weitere Anfragen für Übernachtungen bei Warm Showers Mitgliedern starten.
Der erste „Bikeshop“ war eher ein Sport-Geschäft mit einer kleinen Vitrine voller Ersatzteile für alte russische Fahrräder.
Im nächsten Shop war die Verständigung sehr schwierig. Es dauerte eine Viertelstunde, bis die verstanden hatten, dass ich keinen Schraubkranz brauchte. Freiläufe gab es aber nicht. Die Angestellten waren sehr unfreundlich, keiner wollte mir helfen.
Dritter Shop: der Chef verstand mich und organisierte telefonisch den passenden Freilauf. Preis: 25 €. Ich traute der Sache nicht, bestellte aber trotzdem direkt drei Stück. Wäre ja super preiswert. Ich sollte 20 Minuten warten, bis die Teile eintreffen.
Es dauerte doch länger. Ich nutzte die Zeit und ging etwas essen. Als ich nach einer Stunde zurückkehrte, war der Chef weg. Und die Freiläufe waren angeblich doch nicht verfügbar. Drei andere Kollegen belagerten mich sofort und wollten mir wieder Schraubkränze verkaufen. Einer der drei kapierte dann, was ich wirklich brauchte und bot mir an, per Auto zu einem Kollegen am anderen Ende der Stadt zu fahren. Dort gäbe es die gewünschten Teile.
Wir fuhren gerade los, da fiel mir ein, dass ich mein Fahrrad nicht an eine Stange angeschlossen hatte. Mit einem längeren Aufenthalt an dem dritten Bikeshop hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte große Sorge, dass mein Rad geklaut würde, während wir jetzt per Auto durch die Stadt kurvten. Mein Chauffeur sah das völlig entspannt und versicherte mir: „hier in Usbekistan klaut keiner“.
Der „Kollege“ hatte eine Hinterrad-Nabe mit Shimano-kompatiblem Freilauf für 9-fach-Kassetten. Das Innenleben konnte ich nicht beurteilen; dafür muss ich die Nabe erst zerlegen. Ich kaufte sie für 65 $ in der Hoffnung, dass sie passt und wir fuhren zurück. Mein Fahrrad war noch da. Da atmete ich erst einmal auf.
Dann suchte ich mir im Bikeshop vor Ort das passende Werkzeug zusammen und zerlegte die Nabe. Der Freilauf war leider nicht brauchbar: Die Kugellager waren unterschiedlich. Mist! Ich ging zurück zu meinem Chauffeur und wir einigten uns auf die Rücknahme zu 60 Dollar. Ein ganzer Tag Lauferei, ohne Erfolg. Das war deprimierend.
Sonntag, 19.06.16
Wir packten das Zelt und fuhren die 12 km in die Innenstadt von Taschkent. Unterdessen sahen wir ganze Hundertschaften, die mit der Reinigung und Verschönerung der Stadt beschäftigt waren; letzte Vorbereitungen für das wichtigste Ereignis des Jahres in Usbekistan: das SCO-Treffen am 23. und 24.06.16 hier in Taschkent. Die Regierungschefs von Russland, China, Kasachstan, Usbekistan, Kirgistan, Tadschikistan, Pakistan und Indien treffen sich an diesen beiden Tagen hier zu einer Konferenz.
Seit einem Jahr laufen die Vorbereitungen: Straßen wurden neu asphaltiert, Grünanlagen aufgehübscht und Häuser wurden gestrichen. Viel Fassade. Man konnte die geplanten Wege der Eskorten genau erkennen: Der Glanz erlosch sofort, sobald man in Seitenstraßen abbog. Die Regierungschefs Putin und Co. sollte es mächtig beeindrucken, wenn sie durch die Straßen kutschiert werden.
Und zufällig fiel unser Aufenthalt in der Stadt genau mit diesen beiden Tagen zusammen. Angeblich sollen am 23. und 24. im Zentrum viele Straßen für Radfahrer gesperrt sein. Das würde die Erledigung unserer Jobs empfindlich beeinträchtigen.
Wir steuerten zunächst weitere Bikeshops an, in der Hoffnung, doch noch einen passenden Freilauf zu finden. Aber immer wieder das gleiche Resultat: entweder nur russische Technik oder nicht passende Shimano-Komponenten der Einsteiger-Gruppen.
Als wir in einem Park Pause machten, sprach uns Vahob an und fragte, ob er uns irgendwie helfen könnte. Er sah wohl meine finstere Miene. „Ja“, sagte ich: im Internetcafé an der Ecke einen passenden Freilauf für Annetts Fahrrad hier im Umkreis von Taschkent suchen. Er half bei der Suche. Ebay kennt hier keiner. Aber es gibt halt usbekische Internetmärkte. Die kannte Vahob natürlich. Und er konnte mit der kyrillischen Schrift besser umgehen als wir.
Nach einer Stunde hatten wir eine Hinterrad-Nabe samt passendem Freilauf gefunden: ein Privatverkauf für 85 US-Dollar, hier in Taschkent mit Telefonnummer. Wir riefen an und erhielten die Adresse. Die Nabe hatte 32 Speichenlöcher, unsere Laufräder enthalten 36. Aber das war egal; wir brauchten ja nur den Freilauf (und den bekommt man in der Regel nur im Verbund mit der gesamten Nabe zu kaufen). Ein Hoffnungsschimmer.
In einem Ausstellungsraum eines Fenster-Handels fragten wir dann noch nach WiFi. Wir hofften noch auf eine Rückmeldung der angeschriebenen Warm Showers Mitglieder im Hinblick auf einen Schlafplatz in der Stadt. WiFi hatten sie nicht. Aber den Rechner im Empfang samt Internet konnten wir nutzen.
Und zufällig führte dieser Handel hauptsächlich deutsche Produkte. Da waren wir als deutsche Touristen natürlich herzlich willkommen und wurden für den morgigen Vormittag direkt zu einem Foto-Shooting eingeladen. Für Werbezwecke und den Firmen-eigenen Facebook-Auftritt. Na klar, warum nicht. Wir waren schon häufig abgelichtet worden für irgendwelche sozialen Netzwerke (… und das bin „ich“ mit den Reiseradlern aus D. …)
Um nicht in die Dunkelheit zu kommen, fuhr ich danach ohne Gepäck alleine an den östlichen Stadtrand und kaufte die ersehnte Hinterrad-Nabe aus privater Hand.
Als ich wieder bei Annett und meinem Gepäck eintraf, unterhielt sich Annett gerade mit den Italienern Aldo & Alexandria und den Indern Sharma & Sunny. Die waren begeistert von unserer Reise und luden uns spontan auf Wassermelone ins Restaurant an der Ecke ein.
Glücklicherweise hatte sich inzwischen auch ein Warm Showers Kontakt gemeldet und uns eine Übernachtung in der Stadt angeboten. Damit war der Frust vom gestrigen Tag fast vergessen.
Montag, 20.06.16
Früh morgens fuhren wir zur chinesischen Botschaft, wo wir uns über die aktuell gültigen Regeln zur Visa-Beschaffung erkundigen wollten. Die Visa-Abteilung hatte seit gestern für 8 Tage geschlossen; bis kommenden Montag. Ich gewann langsam den Eindruck, dass ein Fluch über unserer Visa-Beschaffung läge. Zweimal standen wir in Teheran an der turkmenischen Botschaft vor verschlossener Türe und jetzt in Taschkent war erneut eine Woche Warten angesagt.
Nach dem Foto-Shooting im Ausstellungsraum des Fenster-Handels gingen wir auf die Suche nach einer ausgedienten Felge und einer Handvoll Speichen. Das braucht man nämlich, um den Freilauf von einer Nabe zu lösen. Wir benötigten ja nur den neuen Freilauf. Im Bikeshop Di-Sport hatten sie fast alles, was ich zusätzlich zu meinem Werkzeug noch benötigte. Mir fehlte jetzt nur noch ein 14er Inbus-Schlüssel. Darum wollte ich mich morgen kümmern.
Dienstag, 21.06.16
Auf dringende Empfehlung unserer Gastgeber baten wir im nahe gelegenen Hostel um die „Registrierung“. Das ist in ganz Usbekistan ein sensibles Thema. Weil wir keine lückenlose Registrierungs-Historie nachweisen konnten, verweigerten die uns die Registrierung zunächst. Nach langer Diskussion (wenn wir außerhalb der Städte zelten, ist eine Registrierung halt nicht möglich) erhielten wir dann doch noch die Registrierungs-Bescheinigung. Sie verdienten schließlich auch 14 $ damit.
Danach widmete ich mich weiter dem Thema Freilauf. Zusätzlich zur gekauften Nabe wollte ich noch einen weiteren Freilauf kaufen. Als Ersatzteil für zukünftige Ausfälle. Also besuchte ich noch eine hochgepriesene Bike-Werkstatt: doch auch sie hatten keine XT-Naben. Sie schickten mich zum „Velosport“. Der hätte XT-Naben. Velosport hatte nichts vorrätig, könnte aber in China bestellen. Lieferzeit: 4 Wochen. Dann wären wir schon in Tadschikistan. Das fiel also aus. Und damit war die Suche nach einer weiteren Nabe mit passendem Freilauf erfolglos beendet.
Im Di-Sport hatten sie mir eine alte Felge und passende Speichen beiseite gestellt. Auf der Suche nach einem 14er Inbus-Schlüssel klapperte ich alle Autowerkstätten ab, die ich finden konnte. Das war auch wieder sehr mühsam: in der 5. Autowerkstatt war dann endlich das ersehnte Werkzeug verfügbar. Gegen ein Pfand bekam ich es geliehen.
Ich fuhr zurück zum Di-Sport, speichte die Nabe in die alte Felge ein, löste den Freilauf mit dem Inbus-Schlüssel und montierte ihn an Annetts Hinterrad. Der Freilauf passte. Nach 4! Tagen Lauferei war der Austausch des Freilaufs endlich erledigt. Ich war erleichtert.
Hier ein zweiter Exkurs zum Thema „Freilauf“ für Interessierte und Nachahmer:
Auf den Explosions-Zeichnungen der Shimano-Naben sind alle Einzelteile mit Artikelnummer aufgeführt. Aus einer Tabelle unterhalb der Zeichnung ist auch die Kompatibilität zu anderen Shimano-Naben ersichtlich, wenn Shimano ein Bauteil in mehreren Produktlinien einsetzt (Mehrfach-Verwendung). In unserem Fall (Nabe FH-T780) wird der Freilauf (Y3CZ98050) auch in den Naben FH-M770 und FH-M785 verwendet. Damit vergrößert sich die Wahrscheinlichkeit, einen passenden Ersatz zu finden. In aller Regel wird der Freilauf nicht als Einzelteil angeboten; man muss die komplette Hinterrad-Nabe kaufen. Wir fanden die Nabe FH-M785 in Taschkent und mussten nur den Umbau bewerkstelligen.
Einfacher und meist üblich in den Bikeshops ist der Austausch des kompletten Hinterrades oder der kompletten Nabe. Doch das ist deutlich teurer und man erhält nicht immer seine Wunschkomponenten. Wir wollten den hochwertigen und sehr stabilen Verbund mit unserer Felge (Rigida Sputnik, 36 Loch) und den Speichen (Sapim, doppeldickend) nicht aufgeben; im Übrigen gab es keinen Ersatz mit 9-fach-Kassette zu kaufen. Und bei einem Wechsel auf die hier gängigen Naben mit 8-fach-Kassette hätten wir sogar das gesamte Schaltungssystem (Schalthebel und Schaltwerk) austauschen müssen. Also war der Austausch des Freilaufs die sinnvollste Alternative.
Unser Lesetipp hierzu: Fahrrad Gruppen, Komponenten, Ersatzteile – DIY Tipps
Mittwoch, 22.06.16
In der Befürchtung, dass wegen der SCO-Tagung in den kommenden Tagen alle Sehenswürdigkeiten für das gemeine Volk nicht zugänglich sein werden, suchten wir die Moscheen und Medressas der Stadt für eine Besichtigung auf. Das war ganz nett, stand jedoch in keinem Verhältnis zu der Fülle an Objekten in Buchara und Samarqand.
In den Abendstunden nahm die Polizei-Präsenz dann kontinuierlich zu und die Straßen wurden nach und nach gesperrt. Entsprechend steigerte sich der Berufsverkehr ins Chaos. Auf der Flucht vor dem Gehupe fuhren wir dann zeitig nach Hause.
Donnerstag, 23.06.16
Sharma, der Inder, hatte uns die Nutzung von Computer und Internet in seinem Büro angeboten, um an unserem Blog zu arbeiten. So konnten wir unsere Artikel für Iran und Turkmenistan fertigstellen. Am späten Nachmittag suchten wir uns dann per Fahrrad um die gesperrte Innenstadt einen Weg nach Hause.
Freitag, 24.06.16
Wir setzten die Arbeit am Blog fort, fügten noch die Bilder und Videos ein und recherchierten zu China und Indien im Hinblick auf die Visa-Beschaffung.
Am Nachmittag war ich dann im Di-Sport mit dem Fahrrad-Monteur verabredet: Er hatte das Werkzeug-Set mitgebracht, mit dem man Freiläufe zerlegen kann. Ich öffnete unseren defekten Freilauf, um nach der Ursache für das Versagen zu suchen. Tatsächlich waren an zwei der fünf Sperrklinken die Haltenasen abgebrochen und genau diese Bruchstücke verursachten den plötzlichen Festsitz, wenn sie an die falsche Stellte rutschten.
Das konstruktive Gesamtkonzept erschien mir nicht sehr vertrauenerweckend. Da hatte ich so meine Zweifel, ob Shimano-Freiläufe für uns in Zukunft immer noch die erste Wahl sein würden.
Ich entfernte die Bruchstücke und setzte alles wieder zusammen. Die vielen kleinen Kugeln der beiden offenen Lager mit neuem Fett wieder an die richtige Stelle zu setzten, war eine unglaublich fummelige Arbeit, für die man starke Nerven benötigt.
Jetzt verstand ich auch, warum die Reparatur defekter Freiläufe nicht üblich ist im Service. Ich habe es jedenfalls nicht bereut: Ich hatte wieder dazugelernt und einen vermeintlich geschrotteten Freilauf in ein überholtes, brauchbares Ersatzteil verwandelt.
Samstag, 25.06.16
Heute standen die Vorbereitungen für die Beantragung der China-Visa auf dem Plan. Am Montag öffnet die Botschaft um 9:00 Uhr die Tore. Bis dahin wollten wir alles vorbereitet haben. China fordert gebuchte Flüge und Buchungsbestätigungen der Hotelübernachtungen für sämtliche Nächte der Reise sowie einen Reiseplan. Dass wir per Fahrrad reisen, müssen wir verschweigen, sonst wird der Visums-Antrag abgelehnt. An der Grenze interessiert dann später keinen mehr, was wir im Antrag angegeben haben.
Erster Job: die Suche nach einem Reisebüro für die Buchung der Flüge. Die Reisebüros sind hier in Usbekistan oft nicht als solche zu erkennen. Die kyrillischen Schilder über den Ladentüren halfen uns da nicht wirklich. Aber Reklameschilder mit Palmen und Flugzeugen boten da schon mehr. Ich suchte die Geschäfte entlang der Straßen ab und landete dabei mehr Treffer als durch die Befragung der Passanten. Die Mitarbeiter in den Reisebüros sprachen oft kein Englisch und manche Agentur war an eine bestimmte Fluggesellschaft gebunden, die Flüge von Bischkek aus nicht anbot. So dauerte die Suche nach der richtigen Reise-Agentur 3 Stunden. Die Buchung der Flüge ging dann recht schnell.
Danach suchte ich nach einem Fotoshop, der die Vorgaben für die China-Visa-Fotos kannte. Auch das dauerte über eine Stunde. Die chinesische Botschaft fordert mit 33 x 48 mm ein außergewöhnliches Format. Der vermeintliche Profi-Fotoshop entpuppte sich dann beim Erzeugen der Fotos eher als Hobbyfotograf: im dritten Versuch waren unsere Fotos dann korrekt belichtet. Zufällig bot mir der Fotoshop danach den Computer samt Internet und Drucker für die Buchung der Hotels an.
Ich buchte über booking.com ein Hostel in Beijing und druckte die Buchungsbestätigung aus. Unsere Namen fehlten auf dem Ausdruck. Das würde die Botschaft nicht akzeptieren. Also erst ein Konto bei booking.com angelegt und die Hotels für Shanghai und Chengdu gebucht. Jetzt erschienen auch unsere Namen auf den Buchungsbestätigungen.
Ich wollte die erste Hotelbuchung stornieren und unter unserem Konto neu anlegen. Doch die Stornierung war am PC nicht möglich. Ich musste per Smartphone über WiFi in einem nahegelegenen Cafe die Buchungsbestätigung herunterladen und über einen Link in der E-Mail die Stornierung einleiten.
Sonntag, 26.06.16
Die erneute Buchung eines Hotels in Beijing samt Buchungsbestätigung war schnell erledigt. Danach stand die Suche nach einer neuen Übernachtungsstätte an, denn bei Jim & Rose, unseren bisherigen Gastgebern, konnten wir nur bis Montag bleiben. Warm Showers war ausgeschöpft: von acht gelisteten Mitgliedern in Taschkent hatten sich nur 3 gemeldet. Neben Jim & Rose hatten sich noch zwei Kollegen mit einer Absage gemeldet. Couchsurfing ist deutlich größer und zählt hier über 200 Mitglieder. Wir hatten beschlossen, zukünftig auch über Couchsurfing zu suchen.
Dann führte ich noch einen Kettenwechsel bei meinem Fahrrad durch. Sand und Staub hatten den Verschleiß deutlich beschleunigt.
An unserem letzten Abend bei Jim & Rose überreichten wir unsere kleinen Geschenke und packten schon mal unsere Taschen.
Montag, 27.06.16
Wir wollten vor 9 Uhr an der chinesischen Botschaft sein. Wir verabschiedeten uns von Jim & Rose und fuhren rechtzeitig los; doch an der ersten Kreuzung winkte uns die Polizei aus dem Verkehr und verwies uns in eine Seitenstraße. Den Autoverkehr ließen sie ungehindert weiterfahren. Offensichtlich fanden im Zentrum wieder wichtige Konferenzen statt. Und wir Fahrradfahrer waren offenbar eine ernste Gefahr für die Sicherheit der Teilnehmer. Der Umweg kostete uns eine halbe Stunde. An der Botschaft standen wir dann prompt in einer Warteschlange. Vor uns war ein Mitarbeiter einer Visa-Agentur zu Gange: Er hatte 17 Visa-Anträge im Gepäck.
Als wir endlich an der Reihe waren, ging alles ganz schnell: Ein kurzer Blick in unsere Pässe und sofort stand fest: Unser Antrag wird abgelehnt. Personen mit einem Touristen-Visum für Usbekistan können hier kein Visum für China beantragen. Das geht nur, wenn man ein Business-Visum besitzt. Aus. Das war’s. Und dafür hatten wir 7 Tage gewartet und 2 volle Tage in die Vorbereitungen gesteckt. Alles umsonst. Wir waren enttäuscht.
Das warf unser Programm für heute direkt über den Haufen. Jetzt war wieder Recherche erforderlich: wie sind die jüngsten Erfahrungen bei der Visa-Beschaffung in Dushanbe, Tadschikistan? Wie in Bischkek, Kirgistan? Sind Almaty und Astana in Kasachstan noch eine Alternative? Die einschlägigen Foren zum Wissensaustausch über die China-Visa-Beschaffung werden rege besucht und zeigen, dass wir nicht alleine sind: viele Individual-Reisende haben die gleichen Probleme, ständig werden Infos über geänderte Regeln gelistet, ständig verläuft die Entwicklung im Zickzack-Kurs und manche Neuigkeit wird nach drei Tagen dementiert. Es ist viel Willkür und Zufall im Spiel. Das Motto: „Nichts Genaues weiß man nicht“. Sehr unbefriedigend.
Glücklicherweise meldete sich heute Igor, einer der angeschriebenen Couchsurfing-Kollegen und bot uns die Übernachtung in seiner Wohnung an. Die lag im Zentrum, unweit unseres Betätigungsfeldes; das war gut. Leider wohnte er im obersten, 5. Stock und es gab keinen Aufzug. Das war schlecht. Als wir Fahrräder und Gepäck oben hatten, waren wir schweißgebadet. Als wenn die tägliche Hitze nicht schon genug wäre. Aber wir hatten eine Bleibe. Das war wichtiger.
Dienstag, 28.06.16
Wir kontaktierten Malibu’s Travel, ein oft erwähnter, routinierter Dienstleister in Sachen China-Visum in Taschkent. Dort lehnte man weitere Hilfe als zwecklos ab. Damit war Taschkent im Hinblick auf China-Visa endgültig abgehakt.
Wir packen unsere Sachen und luden Igor noch zum Frühstück ins Restaurant ein. Er bestellte uns allen „Kazan Kabob“, eine Spezialität hier in Usbekistan mit Kartoffel und Fleisch. Sehr ergiebig. Das reicht bis in den Nachmittag.
Danach erfragten wir in den Reiseagenturen, ob die Grenze zu Tadschikistan im Süden zwischen Denov und Dushanbe tatsächlich offen ist oder nicht. Zu dumm wäre es, wenn wir umkehren müssten an einer verschlossenen Grenze; zumal unsere Visa eine taggenaue Aus- bzw. Einreise von Usbekistan nach Tadschikistan erfordern. Alle Reiseagenturen sagten uns, diese Grenze sei geschlossen. Ein Reisebüro ließ sich das sogar von der Tadschikischen Botschaft bestätigen. Damit wären wir also an den einzig offenen, nördlichen Grenzübergang Oybek/Bostan gebunden und unser Weg von der Grenze bis Dushanbe wäre deutlich Zeit-intensiver (ca. 10 Tage). Der Grenzübergang hinter Denov wäre uns lieber; da wären wir nach einem Tag schon in Dushanbe. Wir haben nur 45 Tage Zeit laut Visa. Das muss für den Pamir-Highway und die China-Visa-Beschaffung in Dushanbe reichen. Da zählt jeder Tag Anreise auf Dushanbe als Verlust.
Vor der Abfahrt fuhren wir noch ins Book-Cafe und wollten WiFi nutzen. Nach vier Minuten WiFi fiel plötzlich der Strom aus und damit hatte sich Internet erledigt. Wir warteten eine Stunde vergeblich, dann fuhren wir zu einem Hostel 5 km entfernt und nutzen dort WiFi. Ich fragte nebenbei auch hier nach der Grenze bei Denov: angeblich sei sie doch offen; das bestätigten einige Gäste. Sie war bis zum 25.06. geschlossen wegen der SCO-Konferenz. Die Reiseagenturen waren nur zu faul für eine genauere Recherche.
Wir verließen Taschkent spät am Nachmittag Richtung Samarqand. Diese Stadt lag nun wieder auf unserem Weg zur Grenze bei Denov im Süden. Hinter der obligatorischen, städtischen Polizeikontrolle stellten wir uns zum Trampen in Position. Auch diesmal wollten wir uns die endlose Fahrt per Fahrrad durch die zivilisationslose Steppe ersparen. Nach einer Stunde, kurz vor der Dunkelheit, hielt ein LKW und nahm uns die 280 km mit bis Samarqand. Unterwegs fiel mir dann ein, dass ich mein Handtuch bei Igor auf der Leine vergessen hatte. Na ja, ist verschmerzbar, dachte ich.
Um 3 Uhr erreichten wir die Stadt und fanden dann an einer Tankstelle einen Schlafplatz in einem ungenutzten Aufenthalts-Raum. Wir waren froh, jetzt nicht noch das Zelt aufbauen zu müssen.
Mittwoch, 29.06.16
Um 6:30 war plötzlich reger Betrieb in unserem Raum: Die Frühschicht traf sich hier zum Frühstück in unserem „Schlafraum“. Darüber hätten uns die Jungs von der Nachtschicht ja ruhig mal informieren können, dachte ich bei mir. Somit war unsere kurze Nacht nach nicht mal 3 Stunden viel zu schnell wieder zu Ende und wir packten zügig unsere Sachen.
Wir kauften Brot und machten im Park erst einmal ein ausgedehntes Frühstück. Danach nutzten wir WiFi im beeindruckenden Hotel „Registan Plaza“. Der Service organisierte uns sogar einen schattigen, sicheren Stellplatz für unsere Räder. Das war schon außergewöhnlich.
Auf unserem Weg durch die Stadt wäre Annett fast unter die Räder eines Busses gekommen: Sie war plötzlich von drei Bussen eingekeilt und konnte sich nur mit einer Vollbremsung vor dem Einquetschen retten. So blieb es bei einer leichten Kollision mit nur einem der drei Busse.
Nach einer Eispause (es war wieder viel zu heiß) brachen wir auf Richtung Kitop: Vor uns lagen 80 km schlechter Asphalt mit einem Pass bis 1788 m Höhe. Auch hier wollten wir Zeit gewinnen und trampen statt radeln. Es dauerte nicht lange, da fand sich ein LKW, der uns mitnehmen konnte. Wir waren dankbar, den Pass bei dieser Hitze nicht hochradeln zu müssen. Allerdings hinterließ die Serpentinen-reiche Abfahrt auf der anderen Seite des Berges ihre Spuren: Einige unserer Packtaschen lagen über den gesamten Laderaum verteilt. Da wurde alles mächtig durcheinander gekegelt während der Fahrt. Irgendwann werden sie durchgescheuert sein, unsere schönen, dichten Packtaschen.
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Wir erreichten kurz vor der Dunkelheit Kitob und fragten uns durch bis zu unserem Couchsurfing-Kontakt Maxim. Er selber war nicht in der Stadt, aber seine Mutter Jelena erwartete uns schon. Dort genossen wir dann noch einen ruhigen Abend in der lauen Sommerluft.
Ein wahres Erlebnis war in unserer heutigen Unterkunft die Dusche. Solarthermie Marke Eigenbau: effizient und technisch überschaubar.
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Donnerstag, 30.06.16
Zum Frühstück verwöhnte uns Jelena mit einem riesigen Berg Olad’i, kleiner Pfannkuchen mit selbstgemachter Konfitüre; super lecker. Unsere Haferflocken sollten wir da mal schön in der Packtasche lassen. Dann bot sie uns noch den PC samt Internet an. Das nutzten wir direkt zur Recherche über Indien und Myanmar. Das ist unser Plan B, wenn wir kein Visum für China bekommen. Der Grenzübergang zwischen Indien und Myanmar ist seit kurzer Zeit wieder geöffnet. Somit könnten wir per Flugzeug von Kirgistan nach Indien fliegen und dann auf dem Landweg von Indien bis Indonesien fahren.
Lesetipp: Fahrrad im Flugzeug mitnehmen
Jelena lud uns noch zum Lunch ein und danach brachen wir auf. Nach 10 km erreichten wir Shahrisabz. Hier wurde der größte Nationalheld von Usbekistan, Amir Temur, geboren. Man sieht schon von Weitem die monumental großen Ruinen des Ok-Saray Komplexes aus dem 14. Jh. Diesen Komplex steuerten wir auch direkt an zur Besichtigung. Im Umkreis von mehreren hundert Metern befinden sich auch die anderen sehenswerten Bauwerke der Stadt: der „Dor Us-Siyadat Komplex“ und der „Dor Ut-Tilovat Majmuasi Komplex“. Das Ganze steht heute hübsch eingebettet in einem gepflegten Park mit Brunnen und Pavillons im Baustil des asiatischen Mittelalters.
Danach schlenderten wir noch über den Bazar der Stadt und genossen eine Eispause. Sehr angenehm bei den heutigen 41 °C. Erstaunlich viele Radfahrer gibt es hier in der Stadt. Dementsprechend groß war auch wieder das Interesse an uns und unserer Reise. Wir kamen kaum zum Eisessen, weil wir permanent umlagert wurden und die vielen Fragen beantworten durften. Offensichtlich war vor einigen Tagen in der Regionalpresse über uns berichtet worden.
In der Abenddämmerung versuchten wir vergebens, per Telefon unseren Couchsurfing-Kontakt in Shahrisabz zu erreichen. Um nicht bei Nacht einen Platz fürs Zelt suchen zu müssen, kontaktierten wir erneut Maxim in Kitob und organisierten dort eine zweite Nacht. Jelena freute sich, dass wir noch einmal zurückkamen und verwöhnte uns erneut mit einer Kostprobe ihrer Kochkünste: Es gab Pirozhki, Teigkugeln mit Fleischfüllung; russische Küche. Traumhaft.
Freitag, 01.07.16
Nach dem Frühstück verabschiedeten wir uns nun endgültig und fuhren über Shahrisabz Richtung Guzor. Hinter Shahrisabz führt die Straße durch weite, trockene Steppe. Die schlechte Straßendecke forderte da ständig unsere Aufmerksamkeit: unzählige, abgrundtiefe Schlaglöcher, Flickenteppiche oder Asphalt mit Waschbrett-Profil zwangen ständig zum Ausweichen. Manches Mal mussten wir da schnurgerade hindurch brettern, wenn uns gerade Fahrzeuge überholten. Für Radler zu bremsen oder auszuweichen, das kennt man hier nicht.
Es wurde mit 43 °C wieder sehr heiß heute. Da fehlte uns auch nach einer Eispause die Motivation zum Weiterradeln durch diese trockene Steppe. Wir trampten und ein LKW nahm uns mit bis Guzor. Einige sehenswerte, alte Lehmbehausungen säumen unterwegs die Straße. Lehm ist hier übrigens immer noch der Haupt-Baustoff für Neubauten oder die Erweiterung vorhandener Bausubstanz. Das zeigen die vielen Lehmziegel-Manufakturen entlang der Straße.
Die Straßendecke wurde immer schlimmer. Unser LKW-Fahrer hatte auch seine liebe Mühe, den günstigsten Weg durch diese Minenfelder zu finden. Zweimal sah er als Alternative nur noch die Vollbremsung. Und trotzdem schepperte es gewaltig im Fahrwerk. Der Verschleiß muss enorm sein, bei dieser ständigen Belastung. Wir waren jedenfalls dankbar, diese üble Fahrbahn nicht mit unseren Rädern befahren zu müssen. Stellenweise ging es auch auf Schotterbelag weiter.
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Vor Guzor füllten wir an einem Restaurant Wasser auf. Mit einem Zinkeimer am Seil holte man das Wasser aus einem unterirdischen Tank. Kurz danach fanden wir an einer Tankstelle auch einen Zeltplatz zwischen Bäumen und Sträuchern. Und nach vielen Wochen packten wir mal wieder den Kocher aus.
Samstag, 02.07.16
Wir fuhren ins Zentrum von Guzor, eine unserer letzten Städte hier in Usbekistan vor der Grenze zu Tadschikistan, unserem nächsten Reiseland. Wir kauften sicherheitshalber etwas mehr Lebensmittel für die nächsten Tage und genossen eiskalten Kefir an einem schattigen Plätzchen. Auf der Suche nach WiFi blieben wir in einem riesigen Terrassen-Restaurant hängen. Dieses Restaurant war einer der großen Treffpunkte jetzt am Wochenende. Das Ambiente war auch sehr ansprechend: Wasser plätscherte vom Dach wie ein halboffener Wasser-Vorhang und sorgte für kühle Luft und eine angenehme Geräuschkulisse.
Es sprach sich schnell herum, dass wir deutsche Fahrradtouristen sind. Wir kamen mit vielen Gästen und den Angestellten ins Gespräch. Während wir dort so abhingen, kündigte sich bei mir schon wieder eine neue Magenverstimmung an. Ich hatte sofort das Trinkwasser von gestern im Verdacht.
Nachmittags lud uns dann Bachadir, der Direktor der großen städtischen Sportschule, auf eine Übernachtung in der großen Sporthalle ein. Er zeigte uns stolz die trainierenden Mannschaften, zählte die international erfolgreichen, namhaften Athleten aus dieser Kaderschmiede auf und führte uns durch die gesamten Anlagen. Sein Sohn spielt übrigens in der Fußball-Nationalmannschaft von Usbekistan.
Für eine solch kleine Stadt hatte diese Sportschule eine beeindruckende Größe. Er wollte uns noch zum Essen einladen, doch mir war gar nicht nach Essen, bei meinen Magenproblemen. Bei Annett kündigten sich jetzt ebenfalls Magenschmerzen an.
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Bis zum Abend steigerte sich unser Magenproblem derart heftig, dass wir uns beide nur noch schlafen legten bis zum nächsten Morgen. Auch die seltene Gelegenheit, heute Nacht das Viertelfinal-Spiel der Fussball-EM Deutschland-Italien am Fernseher auf unserem Zimmer sehen zu können, reizte uns da nicht mehr. Wäre aber auch sehr spät geworden: durch die Zeitverschiebung Anpfiff um 23:30 Uhr und Entscheidung nach Verlängerung durch Elfmeterschießen erst um ca. 3 Uhr morgens.
Sonntag, 03.07.16
Zum Frühstück fuhr Bachadir mit uns in ein kleines Restaurant im Zentrum. Uns beiden ging es wieder deutlich besser. Nach der Verabschiedung verließen wir die Stadt. Nach wenigen km kauften wir an einem Verkaufsstand an der Straße eine Wassermelone, die wir auch sogleich vertilgten. Einige km weiter winkte uns ein Gastronom auf seine Terrasse und lud uns zu Weintrauben und einer Kanne Tee ein. Wir könnten uns hier auch schlafen legen über die heiße Mittagszeit. Ein üblicher Brauch hier in Usbekistan in den heißen Monaten.
Als wir weiter fahren wollten, trafen wir Jonathan, ein Reiseradler aus Berlin. Er war mit dem Klapprad nach China unterwegs.
Wir bekamen von einem einheimischen Motorradfahrer noch eine Wassermelone geschenkt, die wir dann zur Hälfte weiter verschenkten, denn so viel konnten wir nicht essen.
Als wir kurz vor der Dämmerung nach einem geeigneten Zeltplatz suchten, winkte uns ein Gastwirt energisch in den Garten neben seinem Restaurant. Dort stand schon das Zelt von Jonathan. So blieben wir auch hier. Wir nutzten eine überdachte Sitzecke als Platz für unsere Matten und sparten uns den Zeltaufbau. Der permanente Wind versprach ja eine Mücken-freie Nacht. Aber es wurde so kühl, dass wir erstmalig seit Wochen wieder unsere Schlafsäcke benötigten.
Montag, 04.07.16
Um 7 Uhr saßen wir schon auf den Rädern. Wir hatten beschlossen, zukünftig wieder die kühlen Morgenstunden zum Radeln zu nutzen. Nach einigen km winkte uns ein Gastwirt in sein Restaurant und lud uns zu einem Frühstück ein. Er hatte in Leipzig 2 Jahre als Soldat gedient und sprach etwas deutsch. Und wir hatten zufällig noch nichts gegessen. Ein toller Tagesauftakt.
Auf unserem Weg Richtung Boysun wurde es langsam hügeliger. Wir hatten den südlichen „Hisor Mountains Range“, einen Gebirgszug mit bis zu 4400 m hohen Bergen, zu überqueren. Und diese Passage sollte es in sich haben.
Wir hatten zwar Rückenwind, aber wieder 42 °C. Es ging ständig auf und ab. Das war sehr schweißtreibend.
Für unsere erste Pause kauften wir eine halbe Wassermelone und löffelten sie direkt vor dem Laden aus. Es ist gerade Melonenernte hier. 90 % aller LKWs sind in diesen Tagen mit Wassermelonen beladen; man bekommt sie regelrecht nachgeworfen. Auch in den nächsten beiden Pausen dominierte die Melone unsere Mahlzeiten: Ein Tankstellenteam und ein LKW-Fahrer am Straßenrand luden zur Pause ein und gaben uns ein Stück ihrer Melone.
Dann ging es weiter durch diese wunderschöne Hügellandschaft, die sich allmählich zu einem Gebirge steigerte. Die Hügel waren kahl, der trockene Lehmboden schimmerte in allen möglichen Farben. Die Anstiege wurden kerniger und es gab einige Schotterpassagen. Der Schotterboden war derart grob, dass unsere Räder wie Tischtennisbälle sprangen. Das war äußerst unangenehm. Da half nur Absteigen und Schieben. Überholende Autos nebelten uns dann noch ordentlich mit Staubwolken ein.
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Diese Mischung aus Anstieg, Hitze, Schotter, Staub und den Abgaswolken der uralten, schnaufenden LKWs setzte uns derart zu, dass wir oben auf der Passhöhe die Einladung zur Übernachtung auf der Terrasse eines Restaurants direkt annahmen. Mit 65 km Strecke und 1060 Höhenmetern war unser Limit für heute erreicht. Annett hatte einen Sonnenbrand und ich hatte Rückenschmerzen vom Schieben. Dafür war der Sonnenuntergang und der Tagesausklang im Schlafsack unter freiem Himmel wieder eine kleine Entschädigung.
Dienstag, 05.07.16
Wir dachten, unser Nachtlager wäre der höchste Punkt und ab hier ginge es nur noch bergab. Doch da hatten wir uns getäuscht. Nach kurzer Abfahrt ging es weiter in den Berg hinauf. Den überwiegenden Teil davon auf übler Schotterpiste. Die Reinigung der Packtaschen vom gestrigen Staub war völlig umsonst. Nach dem 3. LKW war alles wieder mit weißem Staub bedeckt. Wir natürlich auch. Man fühlte den stumpfen Belag auf Haut und Kleidung.
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Es ist unglaublich: in Taschkent hübschen sie für ein zweitägiges SCO-Treffen die halbe Stadt auf und hier im Süden des Landes fehlt das Geld für eine einfache Asphaltstraße. Immerhin ist das die Hauptverkehrsader zwischen Samarqand und Termiz. Und der Wille ist ja da, das zeigen die vielen Baustellen-artigen Einrichtungen entlang all dieser Schotter- oder Bruch-Passagen.
Doch irgendwann ist auch die längste Buckelpiste zu Ende und man genießt eine tolle Abfahrt. In diesem Fall sogar auf unerwartet guter Straße. Und wir genossen das sagenhafte Gebirgspanorama um uns herum. Diese Landschaft zählt zu den Top-Highlights unserer Reise durch Usbekistan.
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Dann kam der Abzweig Richtung Boysun, unsere Abkürzung auf dem Weg zur tadschikischen Grenze. Doch auch diese Straße führte stetig bergauf bis kurz vor Boysun. Der monotone Anstieg zermürbte auf Dauer. Und dann kam die ersehnte Abfahrt. Leider viel zu steil und ausschließlich mieser Buckelasphalt. Man musste ständig auf Schrittgeschwindigkeit herunterbremsen, weil man sonst abhob bei jedem Buckel. Keine schöne Abfahrt.
Wir erreichten Boysun am späten Nachmittag. Eine Serpentinen-Abfahrt führte herunter in die Stadt. Im Ortsbereich säumen sagenhafte Klein-Gebirge aus Lehmhügeln zu beiden Seiten die Straße. Eine skurrile Kulisse. Die Stadt selber ist in den Berghang gebaut. Und das Zentrum mit allen Läden befindet sich ganz oben im Hang, 3 km von der Durchgangsstraße entfernt. Aber man muss dort hoch zum Einkauf. Alternativen vor und hinter der Stadt gibt es nicht. Für unsere Besorgungen fuhr ich dann alleine und ohne Gepäck hoch ins Zentrum. Annett blieb währenddessen mit meinem Gepäck in der Nähe der Hauptstraße.
Ich organisierte mir WiFi (gab es erfreulicherweise in einem kleinen Büro) und schaute nach neuen E-Mails. Remy & Elisabeth, unsere Radel-Freunde aus Frankreich, hatten geschrieben, dass die chinesische Botschaft in Dushanbe Ausländern kein Visum erteilt. Dushanbe war unsere letzte Hoffnung zum China-Visum. Ich war etwas frustriert.
Dann noch der Einkauf auf dem Bazar und wieder zurück zu Annett. Die saß derweil in guter Gesellschaft unter den Anwohnern. Sie hatten Melone, Kirschen und Pflaumen für uns aufgetischt. Ein toller Empfang.
Am Ortsrand fanden wir dann einen Zeltplatz auf einem abgeernteten Feld. Die Auswahl an Plätzen fürs Zelten ist etwas eingeschränkt hier. Rasen gibt es nur selten; dafür aber viele stachelige Pflanzen und nackten Lehmboden. Wir hoffen immer auf eine Regen-freie Nacht, wenn wir auf nacktem Lehmboden stehen. Bisher hatten wir da Glück mit dem Wetter.
Mittwoch, 06.07.16
Annett war erkältet und hatte Halsschmerzen. Da standen wir erst um 7 Uhr auf. Eigentlich zu spät, denn die Sonne heizt dann schon alles im Zelt kräftig auf. Wir packten zügig und verließen Boysun.
Den gesamten Tag fuhren wir durch eine wunderschöne Gebirgslandschaft. Stellenweise erinnerte das Panorama an Monument Valley in den USA. Harte Gesteinsschichten ragten immer wieder aus dem weichen Lehmmassiv hervor. Die Straße verlief dabei natürlich immer wieder hoch und runter, sodass wir auch heute wieder 670 Höhenmeter bewältigen durften.
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Filmclips zur Landschaft: Clip1 Clip2 Clip3
Aber das Erlebnis dieser Landschaft war die Anstrengung wert. In der Nähe der Hauptstraße Richtung Denov verlässt man dieses Gebirge dann und es geht in rasanter Abfahrt ins Tal hinunter. Diese Abfahrt war auch die erste seit Tagen, bei der wir nicht im Schleichtempo um die Schlaglöcher herum fahren mussten.
An einem Bauernhof kam uns der Bauer mit einer Flasche eiskaltem Wasser entgegen. Das schmeckte natürlich deutlich angenehmer als unsere heiße „Brühe“. Wir fragten nach einem Zeltplatz in der Nähe und er bot uns die Übernachtung im Hof an. Nach einem Dinner im Kreis der Familie (Männer und Frauen saßen getrennt) schliefen wir dann im Freien und genossen wieder einen sagenhaften Sternenhimmel.
Donnerstag, 07.07.16
Um 5 Uhr standen wir auf. Auf dem Hof herrschte schon seit 4 Uhr reges Treiben. Beim Packen fiel mir auf, dass unsere beiden Brote fehlten, die wir gestern beim Bäcker gekauft hatten. Die muss sich wohl der Hund unter den Nagel gerissen haben. Dafür wurden wir noch zum Frühstück eingeladen. Danach verabschiedeten wir uns, wie immer, mit einem Geschenk.
Als Tagesauftakt gab es erst einmal 20 km übelste Straße: Asphalt-Trümmerhaufen wechselten mit groben Schotter-Passagen ab. Wir quälten uns 2 Stunden über diese Strecke, bis wir endlich die Hauptstraße Richtung Denov und Dushanbe erreichten. Doch diese Straße war auch nicht angenehm, wenn auch deutlich besser als der Zubringer.
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Zur Pause kauften wir an einem Straßenstand wieder eine Wassermelone und bekamen direkt hinter den Verkaufsständen einen Platz im Schatten angeboten. Weil der Melonenverkauf hier an der Straße auch ein Treffpunkt für die Anwohner war, hatten wir pausenlos viele Menschen um uns herum. Und wir durften wieder viele Fragen beantworten. Als wir aufbrechen wollten, lud uns eine Familie zum Plov-Essen ein.
Die Familie lotste uns nach Hause, wo wir dann für 3 Stunden hängen blieben. Erst gab es kleine Snacks, dann sollte ich eine Runde schlafen, während Annett in der Küche bei der Zubereitung des usbekischen Nationalgerichts „Plov“ mithalf. Als wir dann nach 15 Uhr weiter fuhren, war die größte Hitze durch.
Auf der Suche nach einem Zeltplatz wurden wir zunächst von einem Bauern abgewiesen, danach von einem Anwohner in sein Haus eingeladen, durch die Polizei prompt wieder ins Hotel nach Denov verwiesen, und schließlich vom ersten Bauern (der das Palaver zwischen dem Anwohner und der Polizei mitverfolgt hatte) doch noch eingeladen und so nach Hause gelotst, dass die Polizei es nicht mitbekam.
In drei Etappen entwickelte sich aus dem ursprünglich angebotenen Platz fürs Zelt dann die Einladung zum Schlafen auf der Sitzecke im Garten. Das bedeutete für uns natürlich weniger Arbeit. Wir bedankten uns. Über unserem Schlafgemach rankte der Wein und spendete tagsüber kühlen Schatten. Allerdings fielen nachts immer wieder Ameisen aus diesen Wein-Ranken auf uns herunter. Aber wir gewöhnten uns schnell an das Gekrabbel.
Freitag, 08.07.16
Heute sind wir genau ein Jahr auf Reise. Wir sind 13.000 km geradelt und haben bisher 15 Länder bereist.
Nach gemeinsamem Frühstück verabschiedeten wir uns. Wir fuhren weiter bis Denov, der letzten größeren Stadt vor der tadschikischen Grenze. Wir suchten zunächst nach WiFi, um nach weiteren Rückmeldungen der angeschriebenen Couch-Surfing-Mitglieder für unseren geplanten Aufenthalt in Dushanbe zu schauen. Leider gab es nur Absagen bisher. Als ich dann weitere Mitglieder anschreiben wollte, fiel zufällig wieder das Internet aus. Nach einer halben Stunde vergeblichen Wartens zogen wir dann weiter zum Basar.
Annett kaufte leichte Sommergarderobe, während ich mich mit meiner dritten Magenverstimmung in diesem Lande auseinandersetzen durfte. Ein Teppichhändler, Maqsud, lud mich zum Essen ein, während ich bei den Rädern blieb; doch ich beließ es bei einem Glas Cola. Soll ja helfen, wenn man sich den Magen verdorben hat.
Wir beschlossen, eine Nacht im Hotel Denov zu verbringen. Samt der so wichtigen „Registrierung“ waren wir mit 11 $ dabei. Annett fühlte sich abends auch nicht besonders fit. Da stand uns beiden nicht der Sinn nach einem ausgedehnten Abendprogramm, auch wenn das Hotel uns die seltene Gelegenheit dazu geboten hätte. Stattdessen bereiteten wir uns auf Tadschikistan vor und nutzten den Strom zum Laden all unserer leeren Akkus. Weil an diesem Abend gleich zweimal der Strom ausfiel, dauerte das jedoch bis in die Nacht.
Samstag, 09.07.16
Wir schliefen zwar in richtigen Betten, doch die Matratzen waren so extrem durchgelegen, dass man die Sprungfedern im Kreuz zählen konnte, wenn man auf dem Rücken lag. Es gab keine Klimaanlage; nur einen Deckenventilator. Aber das reichte uns.
Annett fühlte sich heute schlechter als gestern, mir ging es dagegen wieder besser. Wir packten sehr spät und waren um 12 Uhr auf der Straße. Während der Fahrt fiel Annett auf, dass an einer Vorderrad-Packtasche an der unteren Halterung eine Schraube fehlte. Die hatte sich wohl durch die miserablen Straßen hier im Lande los gerüttelt. Also war wieder eine Reparatur fällig, wie wir sie im Iran schon hatten.
Wir fuhren aus der Stadt Richtung Dushanbe. Für die Pause kauften wir wieder eine dieser riesigen Wassermelonen und deponierten die eine Hälfte direkt auf meinem Vorderrad-Träger. Das war der einzige Platz am Rad, wo dieses schwere Teil nicht wegrutschte.
5 km vor der Grenze fanden wir an einer ruhigen Tankstelle einen Schlafplatz. Wir legten unsere Schlafmatten hinter der Tankstelle einfach auf den Betonboden. Den Zeltaufbau sparten wir uns heute. Hier gibt es keinen Regen. Und die Nächte sind so warm, dass man selten einen Schlafsack benötigt.
Es gab sogar eine Dusche: Ich musste nur den Schlauch so hoch an einen Mast fixieren, dass ich mich darunter stellen konnte. Dummerweise hatte der Schlauch irgendwo seitlich ein kleines Loch. Und während ich mit dem Bau der Dusche beschäftigt war, wässerte das dort heraus spritzende Wasser zufällig genau die Stelle, wo ich mein Handtuch derweil abgelegt hatte. Damit fiel das Abtrocknen für heute aus. Sonst war es aber ein ruhiger Tagesausklang.
Sonntag, 10.07.16
Unser letzter Tag in Usbekistan. Wir waren um 7 startklar und hatten noch 5 km bis zur Grenzstation. Auf dem Weg dorthin genossen wir noch einmal Wassermelone und frisches Brot aus der Backstube.
Um 9 Uhr erreichten wir die usbekische Grenzstation. Die gesamte Bearbeitung ging eigentlich recht zügig über die Bühne; doch die Intensität der Kontrollen war extrem:
Alle Taschen wurden gescannt und danach komplett ausgeräumt. Nur Schlafsäcke und Zelt durften wir in den Packsäcken lassen. Alle Kameras wurden kontrolliert: Das gesamte Foto- und Film-Material wurde besichtigt, im laufenden Betrieb wurden die Akkus entnommen, um an die SD-Karten zu gelangen. Möglicherweise haben sie dann Fotos gelöscht und die Einstellungen verändert, bewusst oder unbewusst; wir wissen es nicht. Bei der Überprüfung waren wir nicht dabei. Der Umgang mit diesem sensiblen elektronischen Equipment war schon sehr dreist.
Unsere Reiseapotheke wurde besonders genau überprüft: Alle Inhaltsbeschreibungen wurden akribisch auf den verbotenen Stoff Codein untersucht. Hätten sie etwas gefunden, wären wir sicher im Gefängnis gelandet. Danach zogen sie uns in eine Kabine, wo wir uns entkleiden mussten: Sie wollten sehen, ob wir in der Unterwäsche verbotene Dinge versteckt hatten. Natürlich prüften sie auch unsere Fahrräder genauestens: Hohlräume im Rahmen, unter den Schutzblechen, in den Flaschenhaltern, usw.
Dann wollten sie unsere Registrierungen sehen. Warum wir nur drei hätten, wenn wir uns 30 Tage durch das Land bewegten? Wir reisen mit dem Fahrrad und schlafen halt zwischen den wenigen Städten nahe der Straße im Zelt. Und dann ist eine Registrierung halt nicht möglich. Sie telefonierten mit ihrem Chef und nach 5 min war unsere Erklärung wohl in Ordnung. Das ging ja überraschend einfach. Hier hatten wir mit viel mehr Ärger gerechnet nach den eindringlichen Hinweisen aus der Bevölkerung.
Nach anderthalb Stunden waren wir dann fertig und erhielten den Ausreisestempel. Mir schmerzte das Kreuz wegen des ständigen Hantierens an unseren Packtaschen in gebückter Haltung. Und wir waren beide vollständig durchgeschwitzt. In entgegengesetzter Richtung, also von Tadschikistan kommend, sollen die Kontrollen noch schärfer sein; wegen der Nachbarschaft Tadschikistans zu Afghanistan.
300 m weiter begann die Einreise-Prozedur an der tadschikischen Grenze. Formular ausfüllen, Passdaten in die Liste eintragen lassen, Stempel abholen, fertig. Fertig?! War das etwa alles? Ja! Das war alles. So einfach kann die Grenzabfertigung sein. Das hatten wir über die letzten Länder völlig vergessen, wie einfach es an mancher Grenze abläuft. Und extremer hätte der Unterschied in der Grenzabwicklung nicht sein können, als zwischen Usbekistan und Tadschikistan.
So waren wir im späten Vormittag in Tadschikistan.
Weiter geht es im Reisebericht Tadschikistan 2016
Resümee Usbekistan
Usbekistan war anstrengend: schlechte Straßen, extreme Bürokratie, aufwändigste Grenzkontrollen, schlimme Sanitäranlagen und eine schwierige Ersatzteilbeschaffung fürs Fahrrad.
Aber die Fülle an orientalischen Bauwerken in Buchara und Samarqand sowie die Landschaft im Südosten des Landes waren überwältigend.
Die Hitze hatte uns sehr zugesetzt. Dafür entschädigten uns aber die vielen Wassermelonen.
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