Sieben Monate Großbritannien-Radreise, 8.400 km, 2 x 40 kg Gepäck, über Belgien, Frankreich, England, Wales, Irland, Nordirland, Schottland und die Hebriden, gestartet im März 2014 und heimgekehrt im November 2014.
Seit 20 Jahren hatten wir schon viele kleine Radreisen unternommen. Aber eine Radreise über sieben Monate, das war Neuland für uns. Da waren wir gespannt.
Wie ist es uns ergangen? Unser Reisebericht:
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Die Route unserer Großbritannien-Radreise
Die eingezeichnete Linie (Foto) ist unsere tatsächliche Reise-Route. Die irische Westküste ist so stark zerklüftet, dass wir für dieses Land mehr Zeit benötigten, als wir geplant hatten. Bereut haben wir das nicht, weil Landschaft und Herzlichkeit der Menschen dort jeden Tag zu einem Erlebnis werden lassen.
Doch für die ursprünglich mit eingeplanten äußeren Hebriden und die Nordküste Schottlands war es dann letztendlich schon zu spät auf der Jahreszeiten-Skala, als wir Schottland erreichten.
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Die Anfahrt auf unserer Großbritannien-Radreise
Wir fuhren am 30.03.2014 um 7:00 Uhr in der Frühe mit den Rädern von unserer Haustüre aus los und erreichten abends schon die holländische Grenze. Im selben Tempo fuhren wir in den kommenden Tagen fast schnurgerade Richtung Calais (die Kanal-Radwege und das flache Land machen es einem leicht). In Antwerpen „unterquerten“ wir die Schelde per Fußgängertunnel in 30 Meter Tiefe.
Leider war auf der anderen Seite der Aufzug außer Betrieb; da half nur noch die Rolltreppe. Und das war besonders spannend mit 40 kg Gepäck am Rad. Ich hoffte darauf, dass mir nicht die Kraft in der Hand versagte, während ich da mit gezogener Bremse auf der Rolltreppe empor getragen wurde.
Nach dieser Aktion war ich in Schweiß gebadet und heilfroh, dass ich nicht unterwegs einen Krampf in den Unterarmen bekommen hatte (auf dem Bild ist eine der beiden hintereinander geschalteten Rolltreppen zu sehen).
Hinter Brügge in Belgien waren wir offensichtlich einen Tag zu früh: Unser Weg wurde gerade neu geteert und das zwang uns zur ersten Offroad-Passage, denn eine Alternativ-Route gab es nicht: Bei unserem Gepäck auf dem Reiserad waren die 500 m Offroad dann auch deutlich anstrengender als 20 km Straße.
Die Südküste von England
Wir erreichten England über die Fähre Calais-Dover nach nur 6 Tagen. Ab Dover drosselten wir unser Reisetempo und ließen uns die Küste entlang treiben.
Um dem Verkehr um Southampton zu entfliehen, fuhren wir über die Insel „Isle of Wight“ Richtung Bournemouth und genossen die südenglischen Kreidefelsen. Diese weiße Felskulisse hat uns derart beeindruckt, dass wir sie in einem separaten Artikel detailliert beschrieben haben:
Die Berge auf unserer Großbritannien-Radreise
Die Klippenhöhe lässt erahnen, wie steil die Straßen in Englands Süden sind: 20 % Steigung ist keine Seltenheit und das zwang uns wegen unserer Gepäckmasse oft zum Absteigen und Schieben.
Und weil dieselbe Gepäckmasse im Downhill dann eine enorme Beschleunigung erzeugt, war auch manche Abfahrt dann ebenfalls kein Vergnügen: Man steht ständig auf der Bremse, um die Geschwindigkeit im Zaun zu halten.
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Die Radwege auf unserer Großbritannien-Radreise
Die Radwege in Großbritannien sind in der Regel gut ausgeschildert und systematisch durchnummeriert (rote Nummer auf blauem Hintergrund).
Das konnten wir leichter nachvollziehen als zum Beispiel die Dörfer-Namen in walisischer Schreibweise (Foto).
Großbritannien bietet mit dem „National Cycle Network“ ein ausgezeichnetes Radwegesystem. Das Wegenetz und deren Ausschilderung sind aber noch sehr jung und deshalb gibt es natürlich auch Lücken und miserable Wege.
Wir trafen auf unserer Radreise 2 Mitarbeiter von „sustrans“, die mit der Begutachtung der Weg- und Schilder-Qualität beauftragt waren. Sie nahmen auch gleich unsere Anregungen für Verbesserungen auf; zum Beispiel die Beseitigung von Schikanen (Foto), die eine Durchfahrt mit Gepäck am Rad unmöglich machen.
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Die Straßen auf unserer Großbritannien-Radreise
Aber die Straßen in Großbritannien und Irland haben auch ihre Tücken: deutlich schlechterer Zustand als in Deutschland (große, tiefe Schlaglöcher, Querrillen, brüchige Randstreifen) und Teerflächen auf der Fahrbahn, die auch ohne Sonneneinstrahlung derart weich sind, dass man bei längerem Verweilen auf der Stelle tief einsinkt.
Das ergab dann immer eine Riesensauerei an Schuhsohle oder Reifen. Um diese klebrige Masse danach nicht auf Schritt und Tritt weiterzuverbreiten (zum Beispiel später auf dem Zeltboden), war eine akribische Reinigung unerlässlich. Und das war in etwa so nervig wie Bügeln.
Aber das ist alles halb so schlimm. Viel eindrucksvoller sind Schotterwege an Regentagen:
Die Bremsklötze schmirgeln die Felge immer dünner, die Kette knirscht durch den hoch spritzenden Schlamm und Riesenpfützen machen einige Wege zu einem Lotteriespiel bei der Durchfahrt: „na, wie tief ist sie denn?“
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Auf den Straßen wird man bei Regen auch schnell zu Freiwild. Wenn die LKWs an einem vorbei donnerten, wurden wir nicht selten in eine Schlamm-Wasser-Nebel-Wolke eingehüllt und sahen danach aus wie nach einer Moutainbike-Tour durch völlig aufgeweichten Boden.
Das Zelten machte an solchen Tagen natürlich auch nicht so viel Spaß; der Regen verwandelt den Boden (besonders in Irland und Schottland) schnell in einen Sumpf. Da war es zeitweise einfacher, barfuß zu laufen, weil die Flip-Flops im Schlamm stecken blieben.
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Das Wetter auf unserer Großbritannien-Radreise
Das Wetter in Großbritannien und Irland ist eine Sache für sich: schneller Wechsel zwischen den Jahreszeiten, oft mehrmals am Tag. Man fürchtet den Winter wegen der Stürme und zu oft ist auch der Sommer verhagelt. Das Wetter ist hier auch immer eines der wichtigsten Themen.
Zu tief sitzt der Schock aus dem Jahr 2012, als in Irland auf einen verregneten Sommer ein harter Winter folgte und den Bauern das Futter für die Tiere ausging. Die EU half zu spät und viele Bauern waren ruiniert. Und im Februar 2014 noch zerstörte ein Sturm die Dächer zahlreicher Häuser.
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Doch wenn mal für einige Tage die Sonne scheint, dann erhält man auf Radreisen hier oben auf den Inseln durch den nahezu permanenten Aufenthalt im Freien rasend schnell einen „Farmers Tan“, für den man sich sonst mindestens in subtropischen Regionen aufhalten muss.
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Typisch ist auch der Nebel, der sich oft mehrere Tage hartnäckig hält und eine mystische Stimmung ausstrahlt.
Wie hier zum Beispiel in St. Andrews, einer wunderschönen Stadt an der Ostküste Schottlands mit vielen Ruinen und alten Gebäuden:
Der Verschleiß an den Fahrrädern
Wir hatten zwar glücklicherweise nur wenige „waschechte“ Regentage auf unserer 7-monatigen Großbritannien-Radreise, aber der Verschleiß am Material steigt dann exponentiell an. Im günstigsten Fall ist nur eine neue Kette fällig. Verursacht durch die je 40 kg Gepäck und den Regen haben wir in Summe 8 Ketten verschlissen auf der gesamten Reise.
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Die Pannen auf unserer Großbritannien-Radreise
Im schlimmsten Fall jedoch bricht irgendwann einmal die durchs Bremsen immer dünner werdende Felgenflanke. Uns passierte das (natürlich an einem Regentag auf dünn besiedeltem Land) in Irland: Und dann sucht man fieberhaft in ganz Irland eine passende Felge: 28 Zoll, 36 Loch, stabil genug für eine Radreise mit Gepäck (eine seltene Gattung hier oben).
Und natürlich sucht man einen Zeltplatz in unmittelbarer Nähe für die Zeit bis zur Reparatur. Und diese neue Felge muss man natürlich selber einspeichen und zentrieren (wie gut, dass wir das vorher geübt haben).
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Sonstige Pannen hielten sich in Grenzen: ein gerissener Bremszug, ein fast gerissener Schaltzug, ein Bruch im Lowrider, ein Schalthebel ohne Funktion, 2 Plattfüße, ein Ladekabel-Bruch, ein durch Überladung zerstörter Akku und ein verlorener Akku.
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Landschaft und Kultur in Großbritannien
Aber wenn wir mal nicht mit schlechtem Wetter, üblen Wegen oder unseren Pannen beschäftigt waren, dann genossen wir die sagenhafte Landschaft, die gemütlichen Dörfer, die unzähligen Ruinen alter Kirchen, Burgen und Abteien, die prähistorischen Kultstätten der Kelten und den Kontakt zu den herzlichen und gastfreundlichen Einheimischen.
Schottland
Von Larne, Nordirland fuhren wir per Fähre nach Crainryan, Schottland. Hier blieben wir immer dicht an der Westküste, um dem inländischen Verkehr zu entfliehen (der vergällt einem bei den engen Straßen nämlich schnell den Spaß am Radeln). Und wir integrierten die Hebriden-Inseln Arran, Mull und Skye in unsere Radreise.
Die Tiere auf unserer Großbritannien-Radreise
In Schottland erlebten wir dann auch einige spannende Tier-Geschichten:
Zweimal hatten wir eine regelrechte Zecken-Invasion im Zelt. Die Zecken waren teilweise so klein, dass sie durch die Belüftungs-Gase ins Innenzelt gelangten. Wir verwendeten dann Klebeband zum Aufpicken der Zecken, das ging am effektivsten. Es dauerte dann aber doch etwa 5 Tage, bis wir wieder alles clean hatten in Zelt und sonstiger Ausrüstung.
Und es gab eine schlaflose Nacht, weil an einem augenscheinlich ruhigen Bergsee ab Mitternacht plötzlich eine größere Herde Hochlandrinder rings um unser Zelt graste und neugierig am Zelt schnüffelte.
Zum Glück verhedderten sich deren Hörner nicht in unseren Zeltleinen. Seitdem achten wir bei der Zeltplatzsuche sehr genau auf Fußspuren im Boden.
Ach ja, und dann waren da noch diese gefürchteten Midges. Sie kommen abends und morgens bei Windstille in Schwärmen und beißen. Und das macht einen wahnsinnig.
Da hilft nur rechtzeitig Zelt aufbauen und Mückennetz überziehen. In sumpfigen Gegenden wird man sie auch tagsüber kaum los. Das versaut einem dann so manche Pause. Denn sobald man anhält, sind sie da und nerven mit ihrem Gebeiße.
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Lebensmittel-Versorgung auf unserer Radreise
Zum Thema Verpflegung gibt es auch ein paar Besonderheiten. Kerniges Brot muss man in Großbritannien und Irland suchen. In der Regel bekommt man nur weißes Toastbrot in allen Variationen. Aber zum Glück gibt es Haferflocken in Hülle und Fülle. Sogar im 25 kg-Sack (Foto).
Supermärkte gibt es viele, auch Aldi und Lidl. Nur in ländlichen Gebieten ist die Versorgung nicht so üppig. Aber wir sind nie leergelaufen mit unserem Proviant. Und dann gibt es ja noch Fish & Chips an jeder Ecke. Sehr angetan waren wir von der Vielfalt an süßen Backwaren: Donuts, Scones, Shortbread, Tee-Bisquits, … alles viel zu lecker!
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Die Menschen in Großbritannien
Die Herzlichkeit der Menschen in Großbritannien und Irland hat uns überwältigt. Wie oft bekamen wir eine Tasse Tee oder Kaffee angeboten, wie oft folgte eine Einladung zu einem gemeinsamen Abend im Haus bei Wein, Bier oder einem Whiskey.
Und wir hoffen, dass wir diese Gastfreundschaft erwidern dürfen, wenn sie uns besuchen kommen. Wir haben oft Kontaktdaten und Adressen ausgetauscht, um zukünftig in Verbindung zu bleiben. Und aus derselben Motivation ist auch dieser Blog entstanden.
Wir sagen Danke
Zum Schluss sagen wir Danke an alle, die uns mit Ihrer Gastfreundschaft überrascht haben, die uns Hilfe angeboten haben, die uns begleitet haben sowohl auf unserer Großbritannien-Radreise als auch in unserer Heimatbasis.
Wie es danach weiter ging
In 2015 sind wir mit den Fahrrädern auf eine noch größere Radreise gestartet: von Deutschland aus über den Balkan und den Kaukasus nach Zentralasien und weiter über Südostasien und Australien / Neuseeland nach Südamerika. Die Corona-Pandemie zwang uns dann im März 2020 zum vorzeitigen Abbruch.
Was wir auf dieser 5-Jahres-Weltreise so alles erlebt haben, berichten wir ebenfalls auf diesem Blog: Reiseberichte von dieser Radreise
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