Am 7.4.16 sind wir per Fahrrad, von Armenien kommend, in den Iran eingereist. Wir hatten lediglich ein Visum für 15 Tage. Doch in der iranischen Botschaft in Georgien hatten sie uns versichert, dass es in jeder großen Stadt möglich sei, das Visum zu verlängern. Da waren wir gespannt, wie die Sache sich entwickeln würde.
Geplant hatten wir schließlich, nach dem Iran durch Turkmenistan weiter Richtung Osten zu radeln. Da waren wir uns sicher, dass wir mit nur 15 Tagen nicht wirklich weit kommen würden.
Unsere Tipps für Radreisen im Iran.
Unser Reisebericht über den Iran:
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Unsere Route durch den Iran auf OpenStreetMap
Donnerstag, 7.4.16
Kaum waren wir auf dem Staatsgebiet des Iran, gab es Begrüßungen am laufenden Band. Jeder zweite Autofahrer hupte und hieß uns willkommen. Einige hielten sogar an und wollten Fotos mit uns machen. Wir fuhren zunächst über Nurduz Richtung Jolfa. Die Straße führte dabei am Fluss entlang, der gleichzeitig auch die Grenze darstellt. Und es war ein sagenhaftes Gebirgstal, durch das wir ca. 30 km flusslauf fuhren.
Mit der Einreise in den Iran hatten wir auch den Winter hinter uns: denn hier war es sommerlich heiß und die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel. Alle 500 m waren Grenzposten in Wachtürmen und dreimal wurden wir angehalten von Grenzpatrouillen. Sie wollten die Pässe sehen und wir mussten ihnen mitteilen, auf welchen Wegen wir durchs Land fahren.
Auf der Suche nach einem Zeltplatz bot man uns in einer Bauarbeiter-Hütte ein Bett an. Dusche, WC und Küche gab es dort auch. Alle Bewohner waren sehr nett und die Verständigung klappte ganz gut. Als wir unser Abendessen auf dem Gasherd stehen hatten, kam eine Polizeipatrouille und forderte uns auf, sofort zu packen und in ein Hotel im 20 km weiter liegenden Ort zu fahren. Das war jetzt Höchststrafe. Denn es war mittlerweile schon dunkel und wir waren müde. Und 20 km Berg- und Talfahrt bei Nacht, danach stand uns nicht der Sinn.
Wir hatten nichts falsch gemacht, doch dass wir hier übernachten wollten, passte einem der beiden Polizisten nicht. Wir durften noch zu Ende kochen und essen und sie blieben, bis wir wieder alles auf den Rädern hatten und weiter fuhren. Verhandlungen der Bauarbeiter waren da erfolglos, sie waren selber sauer über die harte Linie der eigenen Polizei.
Um sicherzugehen, dass wir nicht heimlich wieder umkehren, fuhr die Polizei im Schleichtempo knochenhart hinter unseren Rädern her. Nach 7 km durch die Dunkelheit und einigen Anstiegen wies man uns an, im nächsten Ort 500 m weiter abzufahren und dort das Zelt aufzubauen. Wir taten, wie uns befohlen, und fragten direkt am ersten Gebäude, dem Rettungsdienst, ob wir das Zelt aufbauen dürften.
Das Zelt stand noch nicht ganz, da traf unsere Polizeipatrouille ein und man signalisierte uns, wir sollen mit dem Zeltaufbau noch warten. Man schicke jemanden, der unsere Personalien aufnehmen wird. Inzwischen brachte uns die Rettungsdienst-Mannschaft eine Runde Tee. Nach der Aufnahme unserer Personalien durften wir dann doch bleiben und das Zelt aufbauen. Um 9:00 Uhr morgen früh sollten wir aber abfahrbereit sein. Als die Polizei dann fort war, kehrte endlich Ruhe ein. Was blieb, war die Befürchtung, dass sie morgen um 9 Uhr wieder auftaucht und uns weiter eskortieren will.
Freitag, 8.4.16
Um 9 Uhr verabschiedeten wir uns vom Rettungsdienst und fuhren weiter bis Jolfa. Der Polizeitrupp von gestern ließ uns dabei in Ruhe, aber bis Jolfa gab es erneut 2 Kontrollen. Die Stadt ist eingezäunt mit Stacheldraht und es gibt Übergänge, die der Landesgrenze sehr ähnlich sind. Das ist im Iran wohl üblich bei größeren Städten. Zu uns waren die Beamten jedoch sehr freundlich. Sie brachten uns sogar eine Runde Tee.
In Jolfa tauschten wir Euro in iranische Rial. Denn eine Geldbeschaffung am Automaten ist Ausländern hier leider nicht möglich. Da hilft nur Euro mitbringen und umtauschen. Der erste Einkauf wurde dann sehr anstrengend: alles ist in Toman angegeben, aber man bezahlt mit Rial (10 Rial sind ein Toman). Beim Bezahlen wird einem auch schwindelig wegen der astronomischen Beträge (1 € = 40.000 Rial). Die Preise waren in Farsi geschrieben und im Laden sprach niemand Englisch. Wir beschlossen deshalb, schnellstmöglich die Zahlen auf Farsi zu lernen.
Wir kauften unter anderem Sangak, ein langgezogenes Fladen-artiges Brot, frisch aus dem Ofen. Nachdem uns die Hälfte der Stadtbewohner begrüßt und wir alle Fragen beantwortet hatten, suchten wir uns einen schattigen Pausenplatz. Denn die Sonne brannte schon ordentlich und es wurde heute 27 °C heiß. Während dieser Pause wurden wir dann noch von einer Familie zur Übernachtung in deren Haus in Tabriz eingeladen. Bisher sind wir von der Gastfreundschaft der Bevölkerung dieses Landes begeistert.
Unser Video auf YouTube:
Filmclip zur Backstube im Iran: Clip
Nachmittags verließen wir die Stadt Richtung Tabriz. Dabei ging es nur bergauf, durch eine flache, baumlose Hügellandschaft. Nach 5 km hielt ich an einer Kreuzung um den weiteren Weg zu checken. Währenddessen kam ein Mann zu mir und wir kamen ins Gespräch. Und nach zehn Minuten lud er uns in sein Haus in Tabriz ein, wann immer wir die Stadt auch erreichen. Das klang schon sehr verbindlich. Für heute organisierte er, Ebrahim, für uns auch noch eine Übernachtung beim Schwager Hojjat im 7 km entfernten Dorf. Bis zu dessen Wohnung waren es noch einmal 100 Höhenmeter, das gab uns den Rest für heute. Dafür wurde der gemeinsame Abend ein erholsames Erlebnis: Es gab Dusche und Bett für uns und wir kochten gemeinsam ein tolles Menü mit Champignons und Trüffel. Es gab sogar WiFi.
Samstag, 9.4.16
Wir hatten noch ein gemütliches Frühstück und dann ging es weiter durch eine Berglandschaft in schillernden Farben. Dabei sieht man wenig Bäume, die Landschaft gleicht einer dürren Steppe mit sanften Hügeln und einigen schroffen Bergen. Und in der Ferne sieht man die schneebedeckten Hochgebirge. Es ging stetig den Berg hinauf. Nicht steil, aber trotzdem auf Dauer mühsam. Als ich an einer steileren Passage schieben musste, hielt sofort ein Autofahrer, stieg aus und fragte, ob ich Hilfe benötige. Und in unserer Mittagspause hielt Javad bei uns an und bot uns seine Hilfe an: ob wir Fragen zum Land hätten, ob wir Infos benötigen, usw.. Diese Hilfsbereitschaft im Iran ist überwältigend.
Über 500 Höhenmeter bei schwülen 25 °C und brennender Sonne, zwischendurch zwei Pausen, …. da war der Tag auch schon zu Ende. Kurz vor Marand bauten wir hinter einer Fabrik auf freier Wiese dann das Zelt auf.
Sonntag, 10.4.16
Wir erreichten Marand am Vormittag und es gab ein Begrüßungs-Szenario, das wir bisher noch nicht erlebt hatten. Denn es war viel los auf der Straße und vor den unzähligen Geschäften entlang dieser Straße. Und jeder, wirklich jeder, schaute uns hinterher, grüßte mit „Welcome to Iran“ oder „Welcome to Marand“. Sobald wir anhielten, kamen die Menschen auf uns zugelaufen und wollten alles über unsere Reise wissen.
Wir wollten einige Dinge erledigen; da fanden sich schnell hilfreiche Ortskundige. Dachten wir jedenfalls. Der Erste war wie eine Klette und so sehr mit seiner Selbstdarstellung beschäftigt, dass wir ihn schnell wieder loswerden wollten. Doch das war nicht einfach und kostete uns fast eine halbe Stunde (später erfuhren wir, dass er schon mehreren Touristen auf den Nerv gegangen war).
Der zweite, ein Metzger, ließ sofort seine Arbeit liegen und führte uns in die passenden Geschäfte. Doch jetzt kam er an Grenzen: eine SIM-Karte von Irancell für Telefonie und Internet für uns zu organisieren, das schien unmöglich. Nach 5 Geschäften (wir liefen dabei mit unseren Fahrrädern über Bürgersteige, durch enge zugeparkte Seitenstraßen, Basare und gegen den Verkehr) übergab er an einen Landsmann, der im letzten Geschäft die wilden Diskussionen mitgehört hatte: Mohammad führte uns jetzt weiter.
Auch er war erst im dritten Geschäft erfolgreich, aber die Odyssee war zu Ende. Mohammad lud uns noch auf einen Tee in seine Schneiderei ein und dort erfuhren wir dann, dass er gestern 2 französischen Reiseradlern geholfen habe beim Beschaffen einer SIM-Karte. Und tatsächlich waren es Remy und Elisabeth; er konnte sich an die Namen erinnern. Die beiden waren also jetzt wieder vor uns.
Die Lauferei durch die Stadt machte natürlich hungrig. Also fragten wir fragten jemanden nach einem empfehlenswerten Restaurant und er, Amir, führte uns zu seinem Tipp. Unterwegs bot er uns dann Hilfe an für alles, was wir noch besorgen wollten. Und daraus entwickelte sich ein tagfüllendes Programm: einen Stadtplan von Teheran und passende Fahrradketten suchen, Geldtausch in der Wechselstube, usw. Dann fragte er uns, ob wir nicht über Nacht in der Stadt bleiben wollten und lotste uns zu einem Warm Showers Mitglied. Das war wieder einmal eine glückliche Fügung; hatten wir doch gestern vergeblich versucht, einen Kontakt über Warm Showers herzustellen. Und jetzt hatten wir zufällig den Richtigen auf der Straße angesprochen.
Wir blieben also über Nacht in der Stadt und luden Amir zum Essen ein. Auf dem Rückweg kauften wir noch ein Paket „Lavash“, ein hauchdünnes, getrocknetes Brot, das in großen Tafeln zu einem Gebinde mit fast 3 kg erhältlich ist. Vor dem Verzehr wässert man die einzelnen Tafeln und wartet, bis daraus ein biegsames Brot geworden ist. Uns zuliebe halbierten sie ein Paket, denn 3 kg war uns zu schwer und des Brotes zu viel. Und selbst die Hälfte war für uns ein enormes Volumen.
Montag, 11.4.16
Es war Regen gemeldet, doch die Sonne schien und es war sehr schwül. Die Straße ging ab dem Ortsausgang 15 km lang bergauf und war sehr schweißtreibend. Oben schlug das Wetter dann um: plötzlich pfiff uns ein kalter Wind aus dem Hochgebirge entgegen und kurze Zeit später regnete es. Da hatten wir Sorge, dass wir das große Paket Lavash nicht trocken durch den Regen bekommen. Also zertrümmerten wir die Tafeln, um das Volumen zu verkleinern und verpackten es in zwei weiteren Tüten.
Der Dauerregen und der Verkehr zermürbte mit der Zeit. Und die Kälte hier oben zwang uns dazu, wieder die Winter-Garderobe anzuziehen. Von der Landschaft sah man derweil nichts; es war alles verhangen.
Mittags kontaktierten wir Ebrahim, der uns zu sich nach Tabriz eingeladen hatte. Und wir dachten, die letzten 20 km schaffen wir schnell. Doch alles kam anders:
Das hügelige Auf und Ab zehrte bei dem Dauerregen an unseren Kräften. Durch Tabriz führte die Straße dann nur noch bergauf. Ebrahim wohnte am hintersten Ende der Stadt und der 15 km lange Weg dorthin war eine Tortur: Alle 200 Meter gabelte sich die Straße und die gerade erfragte Info über die Richtung war wertlos. Viele wollten helfen und zweimal sollten wir einem Fahrzeug folgen, doch wir kamen nicht schnell genug hinterher und verloren unsere Lotsen.
Über unsere Fahrt durch die Stadt wurde es langsam dunkel und 6 km vor dem ausgemachten Treffpunkt hatte ich dann am Hinterrad einen Plattfuß. Na toll. Der Zeitpunkt konnte kaum schlechter sein. Ich versuchte, durch mehrmaliges Aufpumpen eine Reparatur hinauszuzögern, denn bei Dunkelheit und Regen mitten in einer Großstadt unter Zeitdruck einen Schlauch flicken wollte ich wirklich nicht.
Irgendwann kamen wir am Treffpunkt an, wurden abgeholt und folgten Ebrahim weitere 4 km natürlich bergauf bis zu seiner Wohnung. Schweißgebadet und völlig unterzuckert erreichten wir nach 91 km und insgesamt 1000 Höhenmetern um 21 Uhr die Wohnung. Die ganze Familie war versammelt und hieß uns herzlich willkommen. Und wir waren erleichtert, dass trotz Regen und Plattfuß doch noch alles geklappt hatte.
Dienstag, 12.4.16
Nach dem Frühstück durfte ich den Schlauch flicken. Ein Riss an der Überlappungs-Naht war die Ursache; es gab keine Fremdeinwirkung. Und ich dachte, Schwalbe-Schläuche wären von guter Qualität. Doch da habe ich mich wohl getäuscht.
Wir ließen unser Gepäck bei Ebrahim und steuerten mit unseren Rädern ins Zentrum der Millionen-Stadt Tabriz. Es gab wieder einiges zu erledigen: Infos zur Visa-Verlängerung einholen, eine zweite SIM-Karte kaufen sowie Fahrradketten und einen Stadtplan von Teheran kaufen. Für eine Visa-Verlägerung war es wohl noch zu früh. Da sollten wir in ein paar Tagen in Ardebil auf der Polizei verlängern. Um 15 Uhr war dann alles erledigt und wir fuhren zurück. Ebrahim bot uns an, eine 2. Nacht zu bleiben. Das kam uns sehr entgegen, denn wir wären frühestens um 17 Uhr auf der Straße gewesen.
Ebrahims Sohn und seine Frau luden uns nun auf eine Stadt-Besichtigung per Auto ein. Und so erlebten wir den El Gölü See samt Park und den Blick vom Berg auf das nächtliche Tabriz.
Mittwoch, 13.4.16
Frühstück, packen, Überreichung kleiner Geschenke und Verabschiedung, dann verließen wir Tabriz. Ab Tabriz ging es stetig bergauf: 700 Höhenmeter. Je höher wir kamen, desto kälter war der Wind, der uns entgegen blies. Unterwegs bekamen wir zwei Äpfel geschenkt, wurden an einer Tankstelle auf Tee und Sangak mit Ei und später in einer Taxifahrer-Zentrale auf Kuchen-artiges Gebäck mit Sirup eingeladen.
Diese spontane Gastfreundschaft ist für die Iraner selbstverständlich. Sie sind glücklich, uns kennenzulernen und uns zu Gast zu haben. Und sie befürchten ein negatives Image in der Welt-Öffentlichkeit durch die Medien und den Zusammenhang mit Islam, Terror und Atomstreit. Manche entschuldigen sich für den ihrer Meinung nach schlechten, Gewalt-provozierenden Regierungsstil ihrer Regierung. Dann sind sie erleichtert, wenn wir ihnen bescheinigen, dass wir begeistert sind von dem Land und den Menschen hier.
Als wir Bostanabad erreichten, begann es zu regnen. Da suchten wir zügig einen Zeltplatz und wurden dabei in einen kleinen Park gelotst. Sofort lud uns dort jemand zu einem Tee in einem der Pavillons ein. Wir kamen ins Gespräch und nach einer Stunde organisierte er, Mohammadreza, für uns einen Schlafplatz in der Baracke des Parkwärters. Ein weiterer Kollege zeigte uns dann noch eine Dusche in einem nahe gelegenen Gebäude. Ein unglaubliches Volk: jeder bietet sofort seine Hilfe an und gibt uns seine Telefonnummer für zukünftige Notfälle.
In der Baracke des Parkwärters brannte ein mit Heizöl betriebener Ofen. Die intensive Wärme empfanden wir nach dem kalten Regen als sehr angenehm. Auf Dauer waren die 30 °C aber zu viel für uns; vor allem nachts: Wir schwitzten mit offenem Schlafsack die ganze Nacht hindurch in dieser tropischen Atmosphäre. Aber der Raum war angenehmer als das Zelt bei dem Regen.
Donnerstag, 14.4.16
Um 6 Uhr standen wir auf, denn für 6:30 Uhr war der Schichtwechsel in der Baracke angekündigt. Da beeilten wir uns und waren um 7:30 abfahrbereit; so früh waren wir selten. Die Straße verlief ohne nennenswerte Steigung über die Hochebene auf ca. 1800 m Höhe. Vor Dozduzan trafen wir dann Stefan, ein Reiseradler aus Bad Hersfeld. Er war für 8 Wochen in Iran und Kaukasus auf Tour. Nachmittags zogen dunkle Wolken auf und es gab einige Regenschauer.
Da fuhren wir zügig bis Dozduzan und suchten im Windschatten der Moschee einen Pausenplatz. Dort wurden wir sofort vom Hodscha eingeladen, in der Moschee am Ofen unsere Pause zu verbringen. Das wäre ja viel angenehmer, sagte er. Dann gab es ein Glas Tee für uns.
Als die Regenschauer später intensiver wurden, hielten wir auf freiem Feld an einer dieser Rettungsstationen (Helal Ahmar) und suchten einen Unterstand. Auch hier wurden wir sofort eingeladen, hereinzukommen. Aus einem Glas Tee und netter Plauderei wurde dann die Einladung, über Nacht doch hier zu bleiben. Wir freuten uns natürlich riesig, denn wir hätten sonst bei Regen und kaltem Wind das Zelt aufbauen müssen. Es gab ein gemeinsames Dinner mit der gesamten Mannschaft und wir saßen bis nach Mitternacht zusammen. Sie machten lediglich Fotokopien unserer Pässe, zur Sicherheit. So sind halt die Regeln. Für uns war das ok.
Freitag, 15.4.16
Nach dem Frühstück beschlossen wir, abzuwarten, bis es aufhört zu regnen. Um 12 Uhr war es so weit. Nach einer herzlichen Verabschiedung fuhren wir weiter nach Sarab. Es ging stetig leicht bergauf und es pfiff ein kalter Gegenwind. Anstrengende Fahrt.
In Sarab machten wir Pause an einer Tankstelle. Wir hatten gerade alles ausgepackt, da kam ein Tank-LKW mit einer Lieferung Diesel und startete den Entladeprozess. Der Wind wehte den Dieselduft natürlich direkt zu uns herüber. Lecker!
Beim Einkaufen bekamen wir in einem Laden Brot und an einem Straßenstand eine volle Tüte Zwiebeln geschenkt. Mittlerweile regnete es wie angesagt und wir beschlossen, uns hier in der Stadt einen Zeltplatz zu suchen, denn bis zur nächsten Stadt standen uns 65 km Strecke ohne Zivilisation bevor. Als wir nach einem Zeltplatz-tauglichen Gelände fragten, versammelten sich schnell einige Passanten um uns herum, diskutierten mit und wir erhielten insgesamt drei Einladungen für eine Übernachtung im Haus. Wir freuten uns schon, doch dann verabschiedeten sich alle wieder und gingen ihres Weges. Da war uns klar, dass die Einladungen nicht ernst gemeint waren.
Wir fuhren zu einem Park und wollten gerade die Wasserflaschen füllen und den Zeltplatz suchen, da kam einer der drei, die uns eben Einladungen ausgesprochen hatten und bot uns jetzt tatsächlich eine ernst gemeinte Einladung in sein Haus an. Wir waren baff. Damit hatten wir jetzt nicht gerechnet.
In seinem Haus angekommen, wurde die gesamte Familie vorgestellt, dann gab es Tee und Früchte. Der älteste Sohn übersetzte unser Englisch in Farsi. Dann wurde das Abend-Programm festgelegt: Hühnchen-Grillen in der Familien-eigenen Autowerkstatt außerhalb der Stadt. Per uraltem Geländewagen wurden alle 12! Personen (unglaublich, wie viele Menschen da hineinpassen) und ein kleiner Karton mit 2 frisch geschlüpften Küken zur Werkstatt kutschiert. Der Holzofen wurde angefeuert und eine Stunde später lagen die Fleischspieße auf der Grillkohle. Annett hatte mitgeholfen beim Zubereiten der Spieße, ich half beim Grillen in strömendem Regen vor der Werkstatt. Es gab ein Festessen und wir saßen alle um den heißen Ofen herum.
Samstag, 16.4.16
Zum Frühstück kam noch eine weitere Familie, die uns kennenlernen wollte. Und bei der Verabschiedung bekam Annett einen Hidschab (ein im Islam übliches Kopftuch) geschenkt. Damit war sie nun von anderen Frauen hier im Iran kaum zu unterscheiden.
Wir hatten heute Rückenwind und zeitweise Sonnenschein. Das motivierte uns für die bevorstehenden 70 km bis Sarein. Auf der Strecke bis dahin gab es nur ein kleines Dorf: Nir. Die Straße führte durch eine weite Hochebene ohne Zivilisation, wie schon seit Bostanabad. Unterwegs spendierte uns ein Autofahrer eine Runde Tee. Als wir kurze Zeit später in einer Moschee Pause machen wollten, kam uns derselbe Mann entgegen: Er war als Ingenieur hier für die Moschee zuständig. Hier spendierte er uns jetzt Zitronenlimo und noch eine Runde Tee.
Hinter Nir ging es in rasanter Abfahrt hinunter. Durch den Rückenwind erreichten wir da ca. 60 km/h Geschwindigkeit. Nachmittags drehte der Wind plötzlich und eine halbe Stunde später kreuzte ein Gewitter unseren Weg. Viel Regen bekamen wir aber nicht ab. Dann ging es von der Schnellstraße ab Richtung Sarein: 7 km Aufstieg. Dort wollten wir in der heißen Quelle baden und einen Warm Showers Kontakt aufsuchen.
Auf dem Weg hoch in die Stadt hielt uns ein Autofahrer an und lud uns zu sich ins Haus ein. Er lotste uns per Auto zu seinem Hotel-Restaurant-Betrieb und kaum standen unsere Räder in seiner Garage, da war die Polizei in Zivil auch schon da und forderte unseren Gastgeber auf, uns weiterziehen zu lassen. Nach viel Palaver einigte man sich darauf, dass Fotokopien unserer Pässe und Visa bei der Polizei in der Stadt hinterlegt werden müssen. Also organisierten wir in der Stadt die gewünschten Kopien und brachten sie zur Polizei. Unterwegs lief uns dann zufällig der geplante Warm Showers Kontakt über den Weg. Ihn hätten wir angerufen, wenn uns der Hotelier Ali nicht abgefangen hätte. Die beiden kannten sich auch und wir waren nicht die ersten Radler, die Ali eingeladen hatte.
Als wir wieder im Hotel ankamen, stand für uns schon das Essen auf dem Tisch: Reis mit Köfte und anderen Zutaten. Danach waren wir reif für den Schlafsack.
Sonntag, 17.4.16
Nach dem gemeinsamen Frühstück und den obligatorischen Gruppenfotos verabschiedeten wir uns wie üblich mit einem Geschenk und steuerten die heiße Quelle an, unser eigentliches Ziel in Sarein. Diese natürliche Thermalquelle hat heilende Wirkung und ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Für Frauen und Männer gibt es getrennte Badehallen. An den Heißwasserbecken sind die Temperaturbereiche angegeben. 50 °C war das heißeste Bad; das war aber auch die Grenze des Erträglichen. Da waren mir die Abkühlbecken im Sauna-Bereich mit 4 °C noch lieber, wenn auch nur für wenige Sekunden. Wir genossen die 2 Stunden in diesem Badeparadies jedenfalls sehr. Und wir hatten die Hallen für uns alleine, denn außer uns war kein Gast im Bad so früh am Tag.
Um 15 Uhr fuhren wir weiter bis Ardebil. Die 17 km waren mühsam, weil wir Gegenwind hatten. In Ardebil wollten wir zunächst die Polizei für unsere Visa-Verlängerung kontaktieren. Nach einer Stunde Sucherei und vielen irreführenden Beschreibungen fanden wir sie auch. Doch sie waren nicht zuständig. Wir sollten nach Tabriz gehen. Aber genau dort hatten sie uns empfohlen, in Ardebil zu verlängern. Nach vielen Telefonaten mit Teheran und Tabriz und viel Palaver in der Polizeistation ging es dann plötzlich doch und wir sollten morgen früh wiederkommen.
Dann kontaktierten wir Pouya, ein Worm Showers Mitglied in Ardebil, und bekamen einen Schlafplatz im Haus seiner Eltern. Vorher führte er uns noch zu den richtigen Geschäften für einige Besorgungen. Das ersparte uns viel Sucherei in dieser Großstadt.
Montag, 18.4.16
Pouya wollte uns heute Morgen begleiten bei unserem Programm in der Stadt. Als erstes zeigte er uns die Universität von Ardebil, wo er derzeit selber studiert. Und da griff wieder der iranische Sicherheits-Mechanismus: Wir wurden am Eingang abgefangen und sollten warten, bis Pouya von der Uni-Leitung die Erlaubnis hatte, uns mitzunehmen. Fotografieren durfte nur er selber; und die Fotos an uns weiterleiten nur nach Prüfung durch die Uni-Leitung. Aber die Besichtigung war nett und es gab sogar eine Audienz beim Rektor.
Nächste Station war dann die Polizei für auswärtige Angelegenheiten wegen der Visa-Verlängerung. Dass uns Pouya hier begleitete, sollte sich als enormer Vorteil erweisen. Die Beamten kannten uns noch von gestern. Wir mussten die Kameras abgeben und wurden nach Waffen abgetastet. Dann durften wir zum Schalter. Pouya dolmetschte und konnte alle Papiere in Farsi ausfüllen. Wir wollten 30 Tage haben. Das schien so selbstverständlich, dass ich mir erlaubte, zu fragen, ob auch 45 Tage möglich wären. Und tatsächlich war das kein Problem. Wir waren begeistert. 45 Tage Visa-Verlängerung für 20 Euro pro Person und nach zwei Stunden war alles erledigt. Damit hatten wir ausreichend viele Tage bis zur turkmenischen Grenze im Osten.
Danach ging es zum Irancell-Shop, wo Pouya für uns klären wollte, warum unsere beiden SIM-Karten nicht nutzbar waren. Ergebnis der Analyse: in beiden Fällen waren bei der Eingabe unserer persönlichen Daten Fehler unterlaufen. Obwohl wir in beiden Fällen gute Dolmetscher dabei hatten beim Kauf der SIM-Karten. Die Dame am Schalter konnte die Fehler aber glücklicherweise beheben. Pouya füllte hierfür an unserer Stelle neue Formulare in Farsi aus und nach einer Stunde war auch das erledigt. Derweil bekam Annett von einem Mann spontan eine Packung Mandel-Nougat geschenkt. Er sagte „Wellcome to Ardebil“, stieg in ein Taxi und fuhr davon.
Dann lotste uns Pouya aus der Stadt und wir verabschiedeten uns. Wir kämpften den ganzen Tag gegen einen starken, kalten Gegenwind und schafften nicht mal 35 km. Als es vor Namin dann noch den Berg hochging, war das Maß für heute voll und wir suchten uns im Gelände neben der Straße einen Zeltplatz.
Dienstag, 19.4.16
Wir hatten Rückenwind und die Sonne schien. Da fuhr es sich deutlich entspannter als gestern. Hinter einem Tunnel ging es dann in steiler Abfahrt über 30 km auf unglaublich buckeliger Straße um 1500 Höhenmeter mehr bremsend als fahrend herunter bis ans Kaspische Meer. Auf halber Strecke winkte uns ein Straßenhändler zu einem Tee in seine Hütte. Wir nahmen die Einladung an, doch das sollten wir bitter bereuen. Als wir eine halbe Stunde später weiter fahren wollten, begann es zu regnen. Es schüttete eine Stunde lang wie aus Eimern. Die Wolke blieb über uns und nur 2 km weiter war Sonnenschein. Wären wir ohne Pause weitergefahren, hätten wir von dem Regen gar nichts mitbekommen. Es war eine regelrechte Wetterscheide.
Nach einer Stunde waren wir das Warten leid und zogen die Regenkleidung an. Der Regen machte die Straße noch ein Stück anstrengender: knirschende Bremsen, Sand und Wasser auf der Kette und schlechte Sicht durch die regennasse Brille. Nach 2 km hatten wir die Regenwolke hinter uns und konnten die Regenkleidung und weitere Kleidungsstücke ausziehen: Es war extrem heiß hier im Tal. Der Temperatur-Unterschied zwischen dem Hochplateau und dem Kaspischen Meer war gewaltig. Auch landschaftlich waren wir jetzt in einer anderen Welt: viel Wald und sumpfige Ebenen, die zum Reisanbau kultiviert wurden. Sehr viel Polizei war in diesem Gebiet stationiert; die Grenze zu Aserbaidschan ist nicht weit entfernt.
Wir erreichten Astara an der iranisch-aserbaidschanischen Grenze und wurden ungewöhnlich häufig für Russen gehalten. Offensichtlich kommen viele Russen hier über Aserbaidschan in den Iran. Für einige Besorgungen fuhren wir ins Stadtzentrum und fragten nach den gewünschten Geschäften. Durch die liebenswerte Art der Iraner, einem helfen zu wollen, wurde aus dieser Shoppingtour quasi eine regelrechte Stadt-Besichtigung: zweimal führte man uns per Motorrad, dreimal zu Fuß zu den richtigen Adressen. Übrigens erreichten wurde heute die 11.000 km – Marke unserer Radreise.
Wir verließen die Stadt am Abend und kamen bei der Zeltplatzsuche prompt in die Dunkelheit. Die Bebauung entlang der Straße schien endlos und zu beiden Seiten der Straße säumten sumpfige Reisfelder die Grundstücke. Dann hielt uns ein Autofahrer an, der gerade in sein Grundstück fahren wollte. Er stellte die üblichen Fragen (woher, wohin, usw.) und lud uns spontan ein, im Haus zu übernachten. Ein sagenhafter Zufall.
Mittwoch, 20.4.16
Nach einem gemeinsamen Frühstück fuhren wir dicht an der Westküste vom Kaspischen Meer weiter Richtung Süden. Nach den ersten 500 m wurden wir von einem Ladenbesitzer zu einem Eis eingeladen. Kurz dahinter erfolgten mehrere Einladungen zum Tee. Wir lehnten die Einladungen später dankend ab, sonst wären wir nicht weitergekommen. Wir fuhren die meiste Zeit auch mit nur einer Hand am Lenker, weil wir pausenlos aus den vorbeifahrenden Autos gegrüßt wurden und gerne zurückgrüßen wollten. Das galt natürlich auch für die vorbeifahrenden Kids mit ihren Rädern.
Etwas gefährlich wurde es dann, wenn die Motorradfahrer neben uns auf gleicher Höhe fuhren und uns in intensive Gespräche verwickelten. Der chaotische Verkehr und die Schlaglöcher in der Straßendecke fordern meist schon die volle Aufmerksamkeit. Da waren uns die netten Unterhaltungen von Motorrad zu Fahrrad oft zu viel des Guten.
Es war so heiß heute, dass wir für die Mittagszeit aus der Sonne flüchteten. Ich nutzte die Pause zum Wechsel meiner Fahrradkette. Der Winter und der Regen der letzten Tage hatten den Verschleiß enorm beschleunigt.
Lesetipp: Fahrradkette warten kürzen montieren
Die Zeltplatzsuche wurde schwierig: Die Bebauung verlief entlang der Straße ununterbrochen. Es gab kein freies Fleckchen Rasen. Und im Hinterland sah man nur Reisfelder. Wir fragten einen Bauern in einer Seitenstraße nach einem Zeltplatz und er lud uns spontan in sein Haus ein. Beim gemeinsamen Abendessen erfuhren wir dann, dass wir nicht die ersten Reiseradler waren, die bei ihm übernachteten. Zum Dinner gab es unter anderem Reis aus eigenem Anbau.
Donnerstag, 21.4.16
Nach Frühstück und Verabschiedung fuhren wir weiter bei Sonne und 32 °C. Die Wintergarderobe konnten wir jetzt wohl endgültig wegpacken. Annett kaufte sich zur Vervollständigung ihrer Islam-gerechten Kleidung an einem Straßenstand ein Sommerkleid. In Verbindung mit dem Hidschab sah sie nun aus wie eine Iranerin. Beim Preis wollten wir handeln (wie es hier üblich ist), doch der Händler blieb hart. Wir gaben nach und bezahlten. Dafür schenkte er Annett dann noch ein tolles Kopftuch.
Im ersten größeren Dorfzentrum kauften wir frisch gebackenes Barbari, suchten einen Platz im Schatten und machten Pause. Ein Händler schenkte uns zwei Tomaten dazu, ein anderer Händler bot uns seine Sitzecke an. Dann lagen plötzlich ein Stück Käse, Knoblauch und eine Gurke auf dem Tisch und die Händler wollten alles über unsere Reise erfahren. Ich kaufte spontan noch Brot nach und lud die Händler im Gegenzug ein, mit uns zu essen. Und damit mutierte unsere kleine Pause zu einer Art Straßenparty. Nett.
Seitdem wir im Iran unterwegs sind, enthält jeder Tag eine unglaubliche Dichte an Ereignissen: Einladungen, Begegnungen, Gespräche, die abwechslungsreiche Landschaft, die Kontaktfreudigkeit und Spontanität … Wir finden selten den zeitlichen Spielraum für anstehende Reparaturen oder die vielen, kleinen Jobs: Wäsche waschen, nähen, Lebensmittel umfüllen in unsere Dosen, Fahrrad-Wartung, usw. Sobald wir anhalten, kommen Iraner auf uns zu und wir dürfen Fragen beantworten, uns vorstellen, von unserer Reise erzählen. Wir erhalten Tipps zur richtigen Route, sie fragen, ob sie helfen können und viele wollen sich mit uns fotografieren lassen.
Sind wir eingeladen zur Übernachtung im Haus, begleiten die Gastgeber uns bis tief in die Nacht. Man nimmt teil am Familienleben, hat aber kaum eine „freie“ Minute für sich. Liegen wir dann endlich im Schlafsack, sind wir meist zu müde, um auch nur einige Zeilen für unser Blog zu schreiben. Und wenn wir morgens den Schlafsack einpacken, warten sie schon fast ungeduldig mit dem Frühstück auf uns. Der Iran ist unser bislang intensivstes Reiseland. Wir sind begeistert.
Im späten Nachmittag hielt ein Fahrzeug vor uns, drei junge Leute stiegen aus und warteten am Randstreifen, bis wir eintrafen. Dann boten sie uns Konfekt an und luden uns ein, in ihrem Haus in Karaj kurz vor Teheran zu übernachten. Zum Abschluss gaben sie uns Äpfel und Nüsse mit auf den Weg. 3 km weiter das gleiche Spiel: eine Familie schenkte uns Kuchen und wünschte uns alles Gute. Es ist Wochenende nach dem islamischen Kalender. Die Menschen fahren zu ihren Verwandten und haben Landes-typische Köstlichkeiten im Auto. Und daran wollen sie uns teilhaben lassen.
Die Zeltplatzsuche verlief ähnlich wie gestern: keine Rasenfläche, dichte Besiedelung und endlose, sumpfige Reisfelder weit und breit. In einem Seitenweg bot man uns dann auf Privatland einen Schotterplatz fürs Zelt an. Als sie meinen skeptischen Blick sahen (ich hatte Zweifel, ob die Häringe halten), boten sie uns einen Schlafplatz im Haus, eine Dusche und die Teilnahme am Abendessen an. Wir zögerten, aber nach mehrmaliger Wiederholung der Einladung nahmen wir doch an. Die Verständigung klappte mit Händen und Füßen und der Abend wurde lustig, aber wieder sehr spät. Um 1 Uhr lagen wir im Schlafsack.
Um 3 Uhr wurde ich wach. Es stürmte ordentlich. Ich ging raus zu den Rädern, um mal nach den Rechten zu sehen. Mit den Rädern war alles ok. Aber unsere Handtücher, die wir zum Trocknen auf die Leine gehängt hatten, lagen 10 m weiter im Dreck. Alles, was wir neben das Fahrrad gelegt hatten, lag in der Umgebung zerstreut herum. Und unsere Sitzpads waren weg. Ich machte mich auf den Weg, die Sitzpads zu suchen. Am Ende des Grundstücks fand ich sie dann zwischen den Büschen. Ich klemmte alles sturmsicher irgendwo zwischen die Räder und dann ging es zurück in den Schlafsack.
Freitag, 22.4.16
Der Himmel war bedeckt und es sah nach Regen aus. Der Temperaturunterschied zu gestern war gewaltig. Nach dem gemeinsamen Frühstück tauschten wir unsere Kontaktdaten aus und verabschiedeten uns. Die Straße führte uns weiter Richtung Rasht durch die Ebene.
Unterwegs winkten uns zwei Männer ins Haus und luden uns auf einen Tee ein. Im Gespräch boten sie uns dann eine Übernachtung im Haus an. Abends hätten wir das Angebot angenommen, jetzt am Vormittag war es uns noch zu früh.
Zur Mittagspause in Rasht setzten wir uns neben einem Grillimbiss auf die Treppenstufen einer Bank. Kaum saßen wir, lud uns der Restaurant-Chef in seine Räumlichkeiten ein, spendierte uns einen Döner und wollte alles über unsere Reise wissen. Und nachmittags schenkte uns ein Autofahrer durchs offene Fenster im Vorbeifahren eine Packung Waffeln. Verhungern werden wir in diesem Land bestimmt nicht, soviel steht fest.
20 km vor Rasht suchten wir uns einen Zeltplatz an einem Fluss nahe der Straße. Ein Kleinbauer zeigte uns noch den schönsten Platz fürs Zelt und brachte uns noch 2 Eier aus dem eigenen Hühnerstall vorbei.
Samstag, 23.04.16
Wir bauten bei leichtem Nieselregen das Zelt ab. Ab 11 Uhr war es aber trocken und später kam sogar die Sonne durch. Und der Rückenwind schob uns durch die Ebene. Rasht umfuhren wir auf der Ringstraße, denn wir wollten heute zügig vorankommen und den Rückenwind nutzen.
Hinter Rasht führte die Straße allmählich hoch ins Bergland. Damit verließen wir endlich diese weite Ebene, die landschaftlich außer Reisfeldern nicht viel zu bieten hatte. Das Panorama wurde wieder interessanter und die Chance, ohne lange Sucherei einen Zeltplatz zu finden, wuchs.
An einem Supermarkt machten wir Pause. Wir hatten die Räder noch nicht abgestellt, da begrüßte uns der Verkäufer schon mit zwei Dosen Limo und einer Packung Kekse: „welcome to my shop“. Damit hatte sich der geplante Einkauf erledigt und wir bedankten uns herzlich.
In Tutkabon suchten wir nach dem rechten Weg und da sprach uns Behzad auf deutsch an. Er hatte in Deutschland einen Teppichhandel und lebte jetzt wieder hier in seiner Heimat. zehn Minuten später waren wir eingeladen zur Übernachtung in seinem Haus. Es gab ein Festessen, Tipps zur Route durch den Iran, Infos zu den gefährlichen Gebieten im Land und das Angebot, die Waschmaschine zu nutzen. Neben WiFi bot uns Behzad auch seinen PC an, aber die Gespräche mit unserem Gastgeber waren viel wichtiger, sodass wir das Angebot kaum genutzt haben. Um 2 Uhr nachts fielen wir dann hundemüde ins Bett.
Sonntag, 24.04.16
Wir schliefen heute etwas länger, waren aber trotzdem wie gerädert. Die landesüblichen, dünnen Matratzen sind nicht ganz so bequem wie unsere Thermarest-Matten. In vielen Häusern im Iran werden diese Matratzen abends einfach als mobile Betten auf den Teppich gelegt zum Schlafen. Man spart sich das „Schlafzimmer“. Ein reizvoller Gedanke.
Nach einem traumhaften Frühstück bat uns Behzad, noch bis zum Mittag zu bleiben. Fatime wollte uns noch eine Kostprobe ihrer Kochkunst präsentieren. Und es wurde tatsächlich ein besonderes Erlebnis. Um 15 Uhr bedankten wir uns dann mit einem Geschenk und fuhren weiter.
Die Straße verlief durch ein Tal am Sefid River entlang und führte uns an wilder Berglandschaft vorbei. In Rudbar (die Stadt besteht quasi aus einer kilometerlangen Laden-Kette entlang der Straße) wurden wir zu einem Tee mit Gebäck in einen Verkaufsstand eingeladen. Als wir dann eine Schale Oliven dort kaufen wollten, bekamen wir die auch noch geschenkt. Wir fuhren weiter und wurden von allen Verkäufern im Vorbeifahren gegrüßt. 2 weitere Händler wollten uns noch zum Tee einladen. Doch wir lehnten dankend ab, sonst wären wir nicht mehr weitergekommen. Ein unglaubliches Land.
Hinter Manjil suchten wir einen Zeltplatz. Ein Geländewagen hielt bei uns an und der Fahrer lud uns spontan zu sich nach Hause ein. Wir freuten uns und folgten ihm zum Haus, ein frischer, unfertiger Neubau. Die gesamte Wohnung war eine staubige Baustelle ohne Ordnung. Einen Platz für uns zum Schlafen gab es eigentlich gar nicht. Die Ehefrau schien auch nicht besonders begeistert über uns Gäste, stritt hysterisch mit ihrem Mann und warf mit Gegenständen wild um sich. Da ergriffen wir sofort die Flucht und verabschiedeten uns wieder. Das war uns doch nicht geheuer. Der Mann entschuldigte sich ununterbrochen für das Verhalten seiner Frau und begleitete uns noch bis zum Stadtende mit seinem Wagen.
Wir suchten dann am Straßenrand einen Zeltplatz, was auch nicht einfach war heute: Die Oliven-Plantagen zu beiden Seiten der Straße waren eingezäunt. Da fanden wir erst 10 km weiter eine Nische im Gelände.
Montag, 25.04.16
Frühmorgens war es schon sehr warm; die Sonne schien aufs Zelt. Wir packten zügig und fuhren nach Lushan, der letzten Stadt vor dem Aufstieg ins Gebirge. Wir suchten einen Bäcker und kauften Proviant für 2 Tage. Währenddessen waren wir stets umlagert von einer Menschentraube.
Gegenüber einer Schule wurden wir zum Tee eingeladen und nach zwei Minuten hatte sich die gesamte Schülerschar am Zaun versammelt und suchte laut kreischend das Gespräch mit uns. Beim Gemüseeinkauf kurz darauf zog uns der Händler direkt in die Sitzecke in seinem Laden, gab uns ein paar Äpfel und Brot und sagte, wir sollten erst einmal Pause machen und uns ausruhen. Wäre doch viel zu heiß draußen.
Viel zu spät verließen wir die Stadt. Vor uns lagen 50 km Aufstieg, allmählich steiler werdend und im letzten Stück angeblich mit 45 % Steigung. Je weiter wir fuhren, umso heftiger blies uns ein Gegenwind ins Gesicht. Es zogen Gewitterwolken auf und um 15 Uhr mussten wir uns schnell einen Unterstand suchen und das Gewitter samt Regenschauer abzuwarten.
Glücklicherweise erreichten wir zur rechten Zeit eine Tankstelle mit einigen Restaurants. Nach kurzem Gespräch lud uns ein Betreiber einer Raucher-Stube (man trifft sich hier und raucht die Galion, die persische Wasserpfeife) zur Übernachtung in seine Räumlichkeiten ein. Wir fackelten nicht lange und sagten zu, auch wenn es noch sehr früh war. Aber mit unsicherem Wetter ohne Wasser oben in der Wildnis in die Dunkelheit zu kommen, das war uns zu riskant. Haben wir doch von Behzar erfahren, dass es hier oben wilde Tiere, unter anderem Bären, geben soll.
Kaum saßen wir bei einem Tee in der Stube, bekamen wir von einem Gast eine Tüte Gemüse und Obst geschenkt. Wir beschlossen, ein Dinner für unseren Gastgeber und uns vorzubereiten. Er steuerte dann Lavash und Käse mit bei.
Als wir uns dann abends im hinteren Raum schlafen legen wollten, war in der Stube Hochbetrieb: bis zu 7 Wasserpfeifen waren in Betrieb. Und der Qualm zog durch die halboffene Türe natürlich bis zu uns. Zusammen mit der viel zu heißen Luft war das der Garant für eine unruhige Nacht. Aber wir waren dankbar für den Schlafplatz im Trockenen.
Dienstag, 26.04.16
Nach dem Frühstück ging es weiter den Berg hinauf. Der Gegenwind war heute noch stärker als gestern. Das machte uns sehr zu schaffen. Und die Luft war angereichert mit den Abgasen der vielen LKWs. Ganz besonders schlimm war die Luft in einem km-langen Tunnel, in dem wir dank der Steigung länger unterwegs waren, als uns lieb war.
Hinter dem Tunnel hielt uns ein LKW-Fahrer an und fragte uns nach Schmirgel und Flicken. Er hatte einen Plattfuß und seine Flicken waren zu klein. Wir halfen mit unserem Flickzeug und dem größten Flicken in unserem Repertoire. Und wir freuten uns, hier einmal etwas von der Hilfsbereitschaft der Iraner zurückgeben zu können. Dann kochten wir gemeinsam ein Mittagessen auf dem Gaskocher der LKW-Fahrer. Nach dem Essen zogen wir weiter.
Nach nur 500 m hielt ein anderer LKW-Fahrer und drückte uns ein großes Stück Wassermelone in die Hand. Die Erfrischung tat gut bei den mittlerweile 30 °C.
Nach weiteren 5 km Aufstieg gegen den Wind wollten wir an einer Tankstelle Pause machen. Ein LKW-Fahrer bot an, uns im Laderaum mitzunehmen. Wir nahmen dankend an und legten die Räder flach in den Laderaum. Die Mitnahme ersparte uns mindestens 300 Höhenmeter Aufstieg. Unterwegs hielt er an einem Restaurant und lud uns zum Essen ein (wir wollten bezahlen, doch das ließ er nicht zu).
Vor Qazvin stieg plötzlich Qualm aus dem Motorraum auf. Ein Kühlwasserschlauch war geplatzt. „Abas“ kippte das Fahrerhaus und reparierte mit Bordmitteln. Dann ging es weiter. Im nächsten Dorf organisierte er eine Runde Tee für uns, kaufte einen neuen Wasserschlauch und tauschte den ramponierten Schlauch aus. In Qazvin trennten sich unsere Wege. Wir bedankten uns herzlich mit einem Geschenk, worauf er für uns noch Erfrischungsdrinks organisierte.
Qazvin hat wohl gut sortierte Bikeshops, so erzählte man uns. Das war die Gelegenheit, bei Annett die Fahrradkette zu wechseln. Im ersten Geschäft lieh man mir sofort das passende Werkzeug. Während dem Kettenwechsel vor dem Bikeshop versammelten sich nach und nach bis zu 15 Schaulustige und Annett hatte viel Unterhaltung.
Unter den Anwesenden war auch ein junges Paar, das uns spontan zur Übernachtung in ihrer Wohnung einlud. Das war Glück und ersparte uns die Flucht aus der Stadt bei Dämmerung und eine Zeltplatzsuche bei Dunkelheit. Also gingen wir zur Wohnung von Shadi & Sinan. Bei Melone und Gebäck ließen wir diesen erlebnisreichen Tag dann ausklingen.
Mittwoch, 27.04.16
Fürs Frühstück brachte uns Shadi Sangak frisch vom Bäcker und verschwand sofort wieder, weil sie arbeiten musste. Wir hinterließen ein Geschenk und verließen die Wohnung in Abwesenheit unserer Gastgeber, wie vereinbart.
Während unserer Einkäufe bot sich „Ali“, ein junger Bursche, als Stadtführer an. Er sprach Englisch und wollte uns mit seinem Wissen über die Stadt und die islamische Religion begleiten, bis wir die Stadt verlassen. Als Auftakt überreichte er uns eine Schale „Qeimė Nesar“, ein traditionelles Reis-Gericht in Qazvin. Dann führte er uns durch eine der ältesten Moscheen des Iran, die „Jame e Atigh Mosque“. Ali machte uns mit dem dortigen Imam „Sade Abbas Ghavami“ bekannt. Der Imam hieß uns herzlich willkommen und wollte uns gleich zum Lunch einladen. Nein, danke, wir waren noch pappsatt von der letzten Einladung.
Danach ging Ali mit uns zum Schrein des Imam Zadeh Hossein (dem Sohn des Imam Reza, dem achten von zwölf) und erläuterte uns dessen Bedeutung für die „Shia“, eine der beiden Glaubensrichtungen (Schiiten und Sunniten) hier im Islam. Der Schrein steht in einem unglaublich reich mit Glasmosaik verzierten Gebäude und hat die Bedeutung eines Wallfahrtsortes. Während unserer Besichtigung zog ein Trauerzug mit einem aufgebahrten Leichnam am Schrein vorbei. Die Seele des Verstorbenen soll dadurch mehr Ruhe finden.
Um 15 Uhr beendeten wir die Stadtbesichtigung und verließen die Stadt Richtung Teheran. Die Straße verlief schnurgerade und ebenerdig über das Hochplateau. Die Sonne brannte vom Himmel und mit 38 °C war es uns viel zu heiß zum Radfahren. Nach 28 km war uns nach einem großen Eis.
Wir kauften eine Familienpackung Eis, holten unsere Löffel heraus und suchten im Schatten einer Häuserwand einen Pausenplatz. Wir hatten die Eispackung gerade geöffnet, da lud uns der Hausbesitzer in seine Stube ein. Da wäre es doch viel gemütlicher. Dort gab es nach dem Eis einen Tee und … raten Sie mal: … die Einladung zur Übernachtung im Haus.
Wir ließen alles geschehen. Das Programm hatte wieder den Ablauf, wie bekannt: die Familie wird vorgestellt, es gibt ein traumhaftes Dinner, man darf eine richtige Dusche benutzen, zum Abschluss Tee und Obst. Geschlafen wird dann wieder auf diesen dünnen, harten Matratzen auf dem Teppichboden. Die meisten iranischen Familien schlafen genauso: auf dem Boden. Morgens werden die Schlafunterlagen einfach weggeräumt. Wenn sie wüssten, wie bequem eine Thermarest-Matte ist, würden sie sofort tauschen, da sind wir sicher.
Vor dem geruhsamen Schlaf durften wir aber heute erst einmal Kammerjäger spielen: eine Unmenge Flugameisen krabbelte über die Matratzen, unter den Decken, auf dem Boden und auf unserer Haut herum. Nach einer Stunde hatten wir die Menge der Insekten in unserem Zimmer deutlich reduziert und hofften darauf, dass die Überlebenden uns in Ruhe schlafen lassen.
Donnerstag, 28.04.16
Die restlichen Tierchen hatten uns die meiste Zeit in Ruhe gelassen. Und wenn es irgendwo auf der Haut kitzelte, wussten wir: es war nur eine dieser kleinen Ameisen. Nichts Gefährliches.
Nach dem gemeinsamen Frühstück verabschiedeten wir uns. Wir waren heute schon um 8 Uhr auf der Straße und wollten in den kühlen Morgenstunden viel Strecke machen. Die Straße verlief weiterhin recht monoton schnurgerade durch die Ebene.
Interessant wurde es immer dann, wenn wir anhielten, um Lebensmittel einzukaufen oder Pause zu machen: beim Bäcker drückte mir ein Kunde ein Brot in die Hand, da stand ich noch gar nicht in der Schlange. Die Tomaten beim Straßenhändler durfte ich auch nicht bezahlen. Ein anderer Straßenhändler schenkte uns eine Wassermelone, als wir unter den Bäumen Pause machten. Wir verteilten die Hälfte der Melone dann an die vielen interessierten Iraner, die während der Pause immer wieder mit uns reden wollten. So konnten wir wenigstens ein Stück dieser Gastfreundlichkeit zurückgeben.
Im Supermarkt in Abyek kam ich mit zwei Angestellten ins Gespräch und wurde sofort eingeladen auf einen kühlen Drink im Bürotrakt. Meinen Einkauf bezahlen durfte ich derweil nicht; der Chef übernahm das auf Kosten des Hauses. Ich holte Annett nach und wir saßen dann eine Stunde mit einigen Angestellten zusammen und tranken kalte Limo. Das tat gut bei den 32 °C draußen.
Ghazal, eine der Angestellten im Supermarkt, lud uns zur Übernachtung ins Haus ein und Reza besorgte uns zum Lunch Iranian Kebab. Dann organisierten sich die Angestellten für den Abend eine Party mit Alkohol, Musik und Tanz. Wir wurden noch gefragt, ob wir lieber Whisky oder Wodka trinken. Wir brachten unsere Bedenken zum Ausdruck (im Iran ist Alkoholgenuss verboten), doch sie gaben Entwarnung: Die Polizei bekommt nichts mit. In der Zwischenzeit nahm uns Reza mit auf eine Stadtbesichtigung und ins Eiscafé.
Im Haus gab es dann einen riesigen Melonen-Shake, danach Kebab für alle und dann viel Musik und Tanz. Zufällig hatte einer der Clique heute Geburtstag und so wurde zwischen den Whisky-Runden noch an der großen Torte genascht. Um 4 Uhr morgens fielen wir dann hundemüde ins Bett.
Freitag, 29.04.16
Nach der Verabschiedung ging es zügig Richtung Karaj, der letzten größeren Stadt vor Teheran. Dort wollten wir einer Einladung folgen, die wir von den drei jungen Leuten vor einer Woche hinter Rasht erhalten hatten. Wir informierten sie telefonisch über unsere voraussichtliche Ankunftszeit und erhöhten das Tempo, um Reserve zu haben für die Suche der Adresse. Und das war auch gut so: vor unserem Ziel lagen ca. 20 km Großstadt-Verkehr über volle Straßen mit bis zu vier Spuren. Es erinnerte an die Odyssee in Tabriz.
Wir wühlten uns durch die Autoschlangen, fragten bei jeder Gelegenheit durchs offene Autofenster nach dem rechten Weg und hielten dabei ständig die dunklen Regenwolken im Auge, die immer näher kamen. Nichts gegen einen warmen Regen zur Abkühlung bei der schwülen Hitze, aber eine Adresssuche bei Regen in einer Millionenstadt mit bepackten Rädern ist nicht angenehm.
Unsere Gastgeber, Saeede, Farzane und Mohamad, fuhren uns entgegen und lotsten uns dann von der Schnellstraße zu ihrem Heim. Danach waren wir ziemlich geschafft, weil es nur bergauf ging; das Haus lag in einem Berghang. Dafür gab es ein sehr erholsames Abendprogramm im Kreis der Familie. Wir organisierten für morgen noch eine Übernachtung bei Navid, einem Warm Showers Kontakt im Nordosten von Teheran, sehr dicht bei den Botschaften der Länder Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan. Die kurzen Wege zu den Botschaften sollten den Zeitaufwand für die anstehende Visa-Beschaffung klein halten.
Samstag, 30.04.16
Heute stützten wir uns in den Verkehr einer der größten Städte der Welt: Teheran. Wir hatten alles gut vorbereitet: Die Zieladresse war in der Karte verzeichnet, wir hielten telefonisch Kontakt zu Navid und wir hatten uns über den schnellsten Weg durch die Stadt erkundigt.
Farzane führte uns per Auto noch auf die empfohlene Straße, eine Autobahn. Kaum hatten wir uns verabschiedet und wollten Gas geben, stoppte uns die Polizei und machte deutlich, dass diese Straße für Radfahrer verboten ist. Wir möchten doch bitte an der nächsten Ausfahrt die Autobahn verlassen. Wir waren sauer. Wahrscheinlich warten sie jetzt an der besagten Ausfahrt, bis wir eintreffen und kontrollieren, ob wir auch wirklich abfahren.
Doch da war keine Polizei und auch keine Kamera. Wir entschieden, weiterhin auf der Autobahn zu bleiben, bis sie uns nochmal anhalten. Wir hatten Glück: keine Polizei mehr bis zum gefühlten Innenstadtbereich. Das ging ja nochmal gut. Es war bestimmt der einfachste Weg durch die Stadt, doch der ununterbrochen dichte Verkehr über 60 km Strecke reichte uns als Stressfaktor vollkommen aus.
Kurz vor unserer Zieladresse liefen uns Jill und Jan, das holländische Radler-Pärchen, über den Weg. Wir hatten sie vor Monaten im Süden der Türkei getroffen und standen seitdem in Kontakt.
Mit Karte und GPS war die Adresse dann schnell gefunden und es blieb viel Zeit für die Vorbereitung auf den morgigen Tag: die Beschaffung der Visa für Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan stand auf dem Plan.
Sonntag, 01.05.16
Um 5 Uhr standen wir auf, um 7 Uhr waren wir an der Deutschen Botschaft. Hier wollten wir uns die Konsular-Zertifikate holen. Die benötigt man nämlich für die Visa-Beschaffung bei den Botschaften der Länder Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan und China.
Erfahrungsberichten zufolge soll man sich als deutscher Bürger vordrängeln, sonst steht man stundenlang in der Warteschlange. Zufällig lief uns sofort ein Konsular-Mitarbeiter über den Weg. Er nahm uns gleich mit zum richtigen Schalter, vorbei an ca. 20 wartenden Personen. Bezahlen mussten wir in Rial, nicht in Euro. Also war zwischendurch noch ein Besuch in einer Wechselstube erforderlich, denn die umgerechnet 100 Euro Gebühr saugten unsere Reisekasse leer. Die Abwicklung ging rasant schnell; nach einer Stunde war alles erledigt. Das lief uns schon fast zu glatt. Wir suchten einen Copyshop und fertigten noch die notwendigen Kopien an.
Dann fuhren wir per Metro zur Turkmenistan-Botschaft und mussten zur Kenntnis nehmen, dass diese bis 4.5. geschlossen ist. Damit war schon einmal klar, dass wir mindestens bis zum 5.5. in Teheran bleiben müssen.
Als Nächstes stand die Usbekistan-Botschaft auf dem Plan. Ein Iraner bot seine Hilfe an und führte uns per Taxi schnell und sicher bis zur Botschaft. Dort trafen wir tatsächlich wieder auf Remy und Elisabeth, die französischen Reiseradler. Wir tauschten natürlich sofort unsere aktuellen Infos zur Visa-Beschaffung aus. Dieses Thema ist für alle Welt-Reiseradler ein Spießrutenlauf mit viel Bürokratie. Bei uns fehlte der elektronisch ausgefüllte Visums-Antrag, also sollten wir morgen wiederkommen.
Für den Besuch der Tadschikistan-Botschaft war es mittlerweile zu spät; das winzige Öffnungs-Zeitfenster von 9 bis 11 Uhr war schon abgelaufen.
Etwas enttäuscht von dem schlechten Wirkungsgrad zogen wir wieder Richtung Heimat. Die Hilfsbereitschaft der Ortskundigen jedoch war überwältigend: dreimal erhielten wir spontan Hilfe. Man lotste uns per Metro, Bus, Taxi oder zu Fuß zu den richtigen Adressen. Und das motivierte uns für die Fortsetzung dieser Bürokratie-Odyssee in den nächsten Tagen.
Über den Abend verschafften wir uns Zugang zu Computer, Internet und Drucker und füllten die Visa-Anträge für die drei Stan-Staaten aus, ganz unabhängig davon, ob sie laut Info im Netz benötigt werden oder nicht. Wir hofften darauf, nun auch die letzte Lücke in unseren Vorbereitungen geschlossen zu haben.
Montag, 02.05.16
In den letzten Tagen hatten wir schönstes Sommerwetter bei bis zu 30 °C. Dadurch heizte sich die Wohnung jedoch so stark auf, dass uns der Schlafsack schon viel zu warm war. Und wegen der Mücken waren geöffnete Fenster tabu. Ich hatte das Fenster wegen der kühlen Luft trotzdem geöffnet und das bezahlten wir mit einem Haufen Mückenstichen.
8 Uhr: zweiter Anlauf in der usbekischen Botschaft. Diesmal waren unsere Unterlagen komplett. Nach 8 Werktagen sollen die Visa abholbereit sein. Durch Wochenende und Feiertage macht das in unserem Fall 13 Tage Bearbeitungszeit.
Nächste Station war die Botschaft von Tadschikistan. Dort trafen wir wieder Remy und Elisabeth sowie Jill und Jan. Wir alle haben die gleiche Route Richtung Osten. Wir versuchten, neben dem Visum auch das GBAO-Permit für den Pamir-Highway zu beantragen, doch das wurde abgelehnt: Das geht nur in Dushanbe. Gut, dass wir in der Vorahnung einer Ablehnung einen zweiten Satz Anträge vorbereitet hatten. Das ersparte uns den erneuten Gang zur Botschaft am kommenden Tag. Der Konsular-Mitarbeiter machte uns noch deutlich, dass unsere Visa aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme nicht vor dem 15.05. fertig seien. Das deckte sich zufällig mit der Frist für unsere Usbekistan-Visa.
Damit war unser Pflichtprogramm für heute durch. Wir nutzten die Nähe zum Basar im Stadtteil Tajrish zu dessen Besichtigung. Danach ging es per Metro ins Zentrum der Stadt: zum Bazar Sabzeh Medan, einer echten Sehenswürdigkeit: Ein riesiger Gebäudekomplex mit unzählig vielen engen Gassen, pausenlos bevölkert durch Kundschaft und Karrenschieber, die die angelieferte Ware in dem Labyrinth zu den betreffenden Läden fuhren.
Weiter südlich gibt es noch den „Grand Bazar“: mit 200.000 Geschäften auf 23 km Weglänge der größte Bazar in Teheran. Leider fehlte uns die Zeit für dessen Besichtigung.
Dienstag, 03.05.16
Die turkmenische Botschaft hat morgen erst geöffnet. Somit stand für heute kein Konsular-Besuch an. Wir nutzten den Tag für die Internet-Recherche zum China-Visum sowie fürs Wäschewaschen und für Arbeiten an unserem Blog. Milad bot mir dafür seinen PC an. Ich freute mich schon, weil die Arbeit am Blog über einen PC viel leichter von der Hand geht als mit unserem Smartphone. Die Internet-Verfügbarkeit war jedoch so instabil, dass ich nach einer Stunde aufgab: Speichern dauerte extrem lange oder funktionierte gar nicht und immer wieder riss die Verbindung ab. Aber YouTube und Twitter waren verfügbar.
Abends sortiere ich unsere Unterlagen für den morgigen Besuch bei der turkmenischen Botschaft. Dabei fiel mein Blick mehr zufällig auf meine Formulierung in dem geforderten Bittschreiben an die Botschaft, … und da traf mich der Schlag: Der Begriff „travel“ kam im Text vor. Damit wuchs das Risiko, für das von uns gewünschte „Transit“-Visum abgelehnt zu werden, um ein Vielfaches.
Den Brief neu zu schreiben, das war nicht das Problem. Jedoch so spät abends noch einen Drucker zu finden, das war unmöglich. Privat hatte keiner unserer Kontakte hier einen Drucker und die Copyshops waren geschlossen. Wir wollten morgen um 8:30 Uhr auf der Botschaft sein, doch zu dieser Zeit sind die Shops noch nicht offen. Der Nachbar von Milad bot an, uns per Auto auf dem Weg zur Botschaft zu den Copyshops mitzunehmen. Wütend über diese Unachtsamkeit beim Schreiben des Briefes ging es dann in den Schlafsack.
Mittwoch, 04.05.16
Um 8:30 Uhr waren wir natürlich noch nicht auf der Botschaft. Die Suche nach einem Shop, bei dem der Ausdruck dann möglich war, dauerte länger. Als wir an der Botschaft eintrafen, waren schon ca. 10 Personen versammelt.
Genutzt hätte uns eine frühere Ankunft aber auch nichts: Die Anträge werden erst entgegengenommen, wenn das Visum des Ausreiselandes vorliegt; in unserem Fall Usbekistan. Also war die Info im Netz schon mal nicht mehr aktuell, dass das Visum des Ausreiselandes erst bei der „Abholung“ der Turkmenistan-Visa verlangt wird.
Unser Usbekistan-Visum wird erst am 15.05. abholbereit sein. Folglich werden wir am 16.05. erst das Turkmenistan-Visum beantragen und nach 8 Tagen Bearbeitungszeit abholen können. Damit fiel Teheran als Abholort aus, denn bis zum Ablauf unseres Iran-Visums hätten wir dann nur noch 10 Tage. Bis zur turkmenischen Grenze sind es aber 1000 km. Deshalb planten wir jetzt, unser Turkmenistan-Visum in Maschhad, kurz vor der turkmenischen Grenze, abzuholen. Früher ist das oft schiefgegangen, aber in der letzten Zeit gab es keine negativen Erfahrungsberichte mehr. Da hoffen wir mal, dass es bei uns auch klappt.
Um 11 Uhr waren wir an der Botschaft fertig und alle Fragen zu unseren Unterlagen waren geklärt. Wir gingen noch einmal durch den Tajrich-Bazar und besuchten die angrenzende Moschee samt dem Schrein eines weiteren Sohnes des Imam Reza. Sowohl die äußere als auch die innere Gestaltung der Moschee erinnerte sehr stark an die Moschee in Qazvin. Wahrscheinlich ist das Erscheinungsbild der Moscheen mit den Schreinen der anderen Söhne (Imam Reza hatte 8 Söhne) auch nahezu identisch: reichhaltig verziert, mit einem Gewölbe aus Spiegelmosaik.
Den Abend nutzten wir für die Recherche im Internet zu den offenen Themen: Vorbereitung der Beschaffung des GBAO-Permits in Duschanbe, der Hauptstadt Tadschikistans, die Beschaffung der Adresse der Turkmenischen Botschaft in Maschhad, die Planung der Fahrt nach Esfahan mit Bus-Unterstützung, usw.
Damit waren wir durch mit unserem Programm in Teheran. In 10 Tagen werden wir wieder kommen und die Visa für Usbekistan und Tadschikistan abholen, … wenn alles glattläuft! In der Zwischenzeit machen wir einen Abstecher über Kashan nach Esfahan.
Donnerstag, 05.05.16
Um 10 Uhr verabschiedeten wir uns von Milad und Navid und fuhren zum Bus-Terminal im Süden Teherans. Das waren 30 km Großstadtverkehr. Es ging aber recht flott, weil man Richtung Süden immer leichtes Gefälle hat. Der starke Wind wirbelte viel Staub auf und blies ihn in unsere Augen. Das war etwas unangenehm.
Am Bus-Terminal kauften wir Tickets für eine Busfahrt nach Kashan. Als wir mit den Rädern dann an den Bus heranfuhren, forderte der Busfahrer einen Gepäckzuschlag. Also ging ich an den Schalter zurück. Der Aufpreis für die Räder war fast dreimal so hoch wie der normale Fahrpreis. Das roch nach Touristen-Nepp und war mir zu viel. Ich wollte den Kauf der Tickets rückgängig machen. Dann gab es wilde Diskussionen zwischen einigen Offiziellen im Schalter-Bereich und nach 15 min war dann plötzlich alles ok: kein Aufpreis fürs Gepäck. Wir waren erleichtert. Die Busfahrt ersparte uns immerhin 250 km Fahrt durch meist karge Wüste.
Als wir Kashan zwei Stunden später erreichten, schlug uns zunächst eine Hitzewelle entgegen: 39 °C und gewittrige Schwüle. Nicht weit entfernt kamen tiefdunkle Wolken auf die Stadt zu. Da verschoben wir unser Besichtigungsprogramm auf morgen und kontaktierten schnell unseren Warm Showers Kontakt in der Hoffnung, nicht in den großen Regen zu geraten.
Bis uns „Masoud“ abholte, war der Himmel über der Stadt aber schon schwarz und es kam plötzlich ein heftiger Sandsturm auf (Kashan liegt am Rand der Wüste). Masoud wollte uns per Auto zu seiner Wohnung im Dorf 5 km entfernt lotsen. Als die ersten dicken Regentropfen fielen, organisierte er kurzerhand eine Übernachtung im Haus der Schwester; die wohnte 500 m von unserem aktuellen Standort entfernt. Und wir schafften es gerade noch, bei ihr die Räder in die Garage zu schieben, da prasselte der Regen los und es gewitterte. Glück gehabt.
Freitag, 06.05.16
Wir hatten lange geschlafen; das heiße Klima der letzten Tage hatte uns irgendwie zugesetzt. Wir verabschiedeten uns und starteten unser Besichtigungs-Programm. Erste Station war die 250 Jahre alte Aqabozorg Mosque, dann bestaunten wir einige der vielen historischen Häuser aus Lehm. Ein großer Teil der gesamten Gebäude-Substanz hier in Kashan besteht noch aus diesem alten Baumaterial. Das macht die Stadt so einzigartig.
Auf unserem Weg kam plötzlich eine Frau auf uns zu und bot uns die Übernachtung in ihrer Wohnung an. Dort seien zur Zeit Freunde von ihr untergebracht, die auch Radreisen unternehmen. Wir deponierten unsere Packtaschen bis zum Abend in ihrer Wohnung und setzten unsere Besichtigungstour mit dem „Sialk Hill“ fort. Dieser Hügel aus Lehm und Stroh im Südwesten der Stadt beherbergt 8000 Jahre alte Behausungen des Menschen.
Danach fuhren wir zum „Fin Garden“, einem alten persischen Garten mit Bad. Aus einer ständig sprudelnden Quelle wird das Wasser über das gesamte Gartengelände auf kleine Kanäle verteilt. Wo immer man sich in diesem Garten aufhält, man hört das Plätschern des Wassers.
Während unseres Besuches kam, ähnlich wie gestern, plötzlich ein Sandsturm auf und wirbelte die hohen alten Bäume im Garten ordentlich durcheinander. Und dann hebelte es einen dieser Bäume aus den Wurzeln. Er kippte um und fiel auf ein Gebäude im Park. Das Sicherheitspersonal eilte herbei und begann mit der Evakuierung des Parks. Derweil tobte der Sandsturm weiter. Alle Besucher mussten den Park verlassen.
Unser Video auf YouTube:
Filmclip zum Sturmschaden im Fin Garden: Clip
Unsere Fahrräder standen noch unversehrt neben dem Kassenhaus, aber meine Radhandschuhe waren weg. Ich hatte sie nur locker auf den Lenker gelegt. Der Sturm hatte sie jetzt wohl fortgeweht. Also gingen wir auf die Suche. Und wir waren erfolgreich: im Umkreis von 100 m fanden sich beide Handschuhe. Wir machten uns auf den Rückweg in die Stadt und fuhren zu unserer Bleibe für die Nacht bei „Farzane“.
Neben den beiden angekündigten Freunden (Reyannah und Ali) waren noch zwei weitere Gäste (Elham und Nafiseh) in der Wohnung untergebracht. Ali kochte zum Dinner eine nordiranische Spezialität. Mit uns waren wir nun zu sechst und es hatte WG-Charakter. Geschlafen haben wir dann alle im großen Wohnzimmer.
Samstag, 07.05.16
Wir schauten uns noch einige der historischen Häuser an und fuhren danach zum Bus-Terminal. Dort kauften wir Tickets und fuhren per Bus von Kashan nach Esfahan. Die Straße führte durch endlose Wüste. Weit und breit kein Dorf und keine Zivilisation. Wir waren froh, dass wir diese Strecke nicht per Fahrrad in dieser brütenden Hitze (39 °C) bewältigen mussten.
Nach zwei Stunden erreichten wir Esfahan. Vor 2000 Jahren war das die Hauptstadt des persischen Reichs. Dementsprechend umfangreich war auch unser Programm für diese Stadt. Doch zuerst wollten wir unseren Warm Showers Kontakt treffen. Eine Übernachtung bei ihm wäre schwierig, aber er wollte uns auf jeden Fall treffen und dann helfen. Wir wühlten uns durch den Innenstadtverkehr dieser 5-Millionen-Einwohner-Stadt.
Einen km vor dem vereinbarten Treffpunkt überholte uns ein Radler und wir kamen ins Gespräch. Er war Mitglied bei Couchsurfing, einem weiteren bekannten Netzwerk für private Übernachtungen für Reisende, und bot uns die Übernachtung in seinem Haus an. Weil eine Übernachtung bei dem Warm Showers Kollegen eher unsicher war, fuhren wir gemeinsam bis zum Treffpunkt und dann wurde die für uns beste Lösung abgestimmt. Nach zehn Minuten war dann entschieden: Wir übernachten bei Mahmood, dem Couchsurfing-Mitglied.
Auf dem Weg zu seinem Haus schlug er uns schon ein komplettes Abendprogramm vor, dem wir nicht widerstehen konnten: erst Tee trinken, dann duschen, dann Besichtigung der schönsten Sehenswürdigkeiten bei Nacht und zum Abschluss das Dinner im Haus. Mahmood war ein professioneller Guide. Er kannte die Bedürfnisse eines Reisenden ebenso gut wie die Sehenswürdigkeiten seiner Stadt. Das ersparte uns zeitaufwändige Sucherei und große Umwege.
Er fuhr mit uns zu den bekannten Steinbrücken (Si-o-se Pol und Pol-e Chadschu), zeigte uns den riesengroßen Emam Square (der älteste Square der Welt) sowie die integrierten Bauwerke Mosque Emam, Scheich Lotfalläh-Mosque, den Königspalast Ali Qapon und den Bazar. Mahmood würzte den Besichtigungsumfang dabei mit seinem Hintergrundwissen. Er war pensionierter Arzt und für Reisende wie uns Gastgeber und Stadtführer aus Leidenschaft.
Unser Video auf YouTube:
Filmclip zur Pol-e Chadschu Brücke: Clip
Auch für den morgigen Tag hatte er schon ein Programm zurechtgelegt: Der Blick von den Brücken bei aufgehender Sonne soll atemberaubend sein. Also wurde der Wecker auf 6 Uhr gestellt. Mahmood wollte uns auch morgen begleiten, unter anderem, weil er die Abkürzungen per Fahrrad kennt. So wären wir viel eher mit unserem Programm in Esfahan durch. Aus geplanten 4 Tagen wurden 2. Da hatten wir plötzlich zeitlichen Spielraum für eine weitere Stadt: Shiraz. Keine andere Stadt im Iran beherbergt derart viele, spektakuläre Sehenswürdigkeiten. Ein Besuch der Stadt schien unmöglich wegen der Entfernung (1000 km von Teheran entfernt) und der zeitlichen Beschränkung durch unser Visum. Jetzt war es plötzlich möglich. Toll.
Sonntag, 08.05.16
6 Uhr aufstehen, per Fahrrad die Brücken abfahren, die Berge im Hintergrund bei aufgehender Sonne genießen und dann Frühstück im Haus. Ein toller Tages-Auftakt. Beim Frühstück wurde das Programm für die nächsten Tage zusammengebastelt: heute Abend ohne Räder und Gepäck mit dem Nachtbus nach Shiraz, zwei Tage Besichtigung der Stadt mit Übernachtung bei einem Warm Showers Partner und am Dienstagabend per Nachtbus wieder zurück nach Esfahan. Danach hätten wir dann noch vier Tage für die Rückreise nach Teheran. Ein guter Plan.
Unser Video auf YouTube:
Filmclip zur Pol-e Chadschu Brücke: Clip
Wir organisierten die Übernachtung in Shiraz und dann schauten wir uns die Objekte der gestrigen Tour bei Tageslicht an. Von der Aussichts-Plattform des 500 Jahre alten Königspalasts hat man einen tollen Blick von oben auf den Emam-Square. Danach folgten der Square Kufic, die Jame Mosque und die Mosque Ali.
Unser Video auf YouTube:
Filmclip zum Square Kufic: Clip
Zum Lunch ging es zurück ins Haus. Am Nachmittag kam Reza, ein Freund von Mahmood, vorbei. Er wollte an Stelle von Mahmood unsere Räder samt Gepäck in seine Obhut nehmen, weil Mahmood zum Zeitpunkt unserer Rückkehr aus Shiraz nicht erreichbar wäre. Am Abend fuhren wir unsere Räder dann in die neue Unterkunft und natürlich hieß uns die Familie zunächst einmal willkommen: es gab Tee, ein Dinner und viel Plauderei.
Nach unserem Geschmack wurde der Abend aber viel zu lang; wir wollten schließlich nicht zu spät am Bus-Terminal die Tickets lösen oder gar den letzten Nachtbus um 24 Uhr verpassen. Mahmood und Reza sahen das ganz locker. Beide fuhren uns dann kurz vor 24 Uhr auch zum Terminal … und dann gab es erst einmal eine lange Suche nach unserer Ticket-Reservierung. Im Nachbargebäude wurden wir dann fündig und wir hatten tatsächlich noch ganze fünf Minuten Zeit bis zur Abfahrt in das 500 km weit entfernte Shiraz.
Montag, 09.05.16
Es war kein erholsamer Schlaf auf dieser Busfahrt. Das ließ die holprige Straße nicht zu. Um 6:30 Uhr erreichten wir etwas gerädert Shiraz und stiegen am vereinbarten Treffpunkt, dem Darvaze Quran, aus. Nima, unser Warm Showers Kontakt, holte uns ab und wir fuhren in die Stadt. Alles hatte reibungslos geklappt.
Bis sich plötzlich ein Bremsbelag vorne links in voller Fahrt verabschiedete. Es schepperte kurz und Nima wusste nach dem nächsten Bremsversuch sofort, was kaputt war. Er wendete und fuhr wieder aus der Stadt bis zu der Werkstatt seines Kumpels, um das sofort reparieren zu lassen. Das Ganze war ihm sehr unangenehm, doch für uns war es ok. So etwas passiert halt. Und mit ihm als Stadtführer entfällt die zeitaufwändige Suche der Sehenswürdigkeiten. Also hatten wir Zeit.
Annett legte sich während der Reparatur neben der Werkstatt aufs Ohr und holte den fehlenden Schlaf nach. Kurz vor Ende der Reparatur kam die Nachbarin heraus und lud uns auf einen Tee ein. Dazu gab es Gebäck, Obst, Lavash mit Käse und eine Stunde später die Einladung zum Lunch. Was sich aus einer Auto-Panne im Iran so alles entwickeln kann …
Dann stürzten wir uns in ein gewaltiges Besichtigungsprogramm: durch den Vakil Bazar führte unser Weg zur Vakil Mosque, danach durch den Gebäude-Komplex des Shah-Cheragh, wo sich der Schrein des Bruders von Imam Reza befindet. Wir hatten mittlerweile schon eine Vielzahl Moscheen im Iran besichtigt; doch die schmuckvolle Gestaltung der religiösen Stätten hier in Shiraz stellte vieles davon in den Schatten. Unglaublich aufwändig verzierte Gewölbe und Spiegel-Mosaik in einer Fülle, die man nicht in Worten beschreiben kann. Man muss das gesehen und erlebt haben, sonst glaubt man es nicht.
Hinzu kommt die Atmosphäre: in allen Gebäudeteilen trifft man betende Moslems, andere sitzen irgendwo auf dem Teppichboden und lesen im Koran, der Schrein wird verehrt, … Die Gebäude leben. Was muss das erst für ein Erlebnis sein, wenn die Shah-Cheragh-Moschee mit 20.000 Gläubigen gefüllt ist (so viele passen hinein).
Danach ging es zur Nasir-al-Mulk Mosque, dann zum „Zinat al Molk Manison“. Dieses Gebäude beherbergt ein Wachsfiguren-Kabinett und zeigt große Persönlichkeiten des Iran zurück bis in die Antike. Im Abendlicht genossen wir noch „Hafez Tomb“, das Mausoleum des großen Poeten Hafez: Eindrucksvolle Gebäude und ein großer Garten mit Palmen und blühenden, exotischen Pflanzen werden hier durch die nächtliche Beleuchtung sehr stimmungsvoll in Szene gesetzt. Auf dem Heimweg lauschten wir noch den Klängen iranischer Musik, live von einer Bühne gespielt.
Dienstag, 10.05.16
Das gestrige Marathon-Programm hinterließ seine Spuren: wir schliefen bis 9:30 Uhr. Auch das Frühstück gingen wir ruhig an.
Für heute stand „nur“ die Besichtigung der Ruinen von Persepolis auf dem Plan. Persepolis war in der Antike die Hauptstadt des persischen Reiches. Deren Besichtigung wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Und spät abends wollten wir per Nachtbus dann wieder zu unseren Fahrrädern nach Esfahan zurückfahren.
Nima begleitete uns wieder und fuhr mit uns zu den 40 km von Shiraz entfernt liegenden Ruinen. Das Wetter war für eine Besichtigung im Freien eigentlich viel zu durchwachsen heute, aber wir hatten ja keine Wahl.
Die Besichtigung der Ruinen war ein unvergessliches Highlight. Persepolis wurde 520 v. Chr. erbaut, jedoch 330 v. Chr. durch Alexander den Großen zerstört und niedergebrannt (vermutlich aus Rache für die Zerstörung der griechischen Akropolis 480 v. Chr. in den Perserkriegen).
Die großen Paläste sind nur noch an den Fundamenten zu erkennen. Den Rest mussten wir uns in Gedanken vorstellen. Doch sehr beeindruckt waren wir von den vielen in Stein gemeißelten Reliefs, auf denen man die Vertreter der einzelnen persischen Völker in ihren Trachten bewundern kann, unter anderem die Ägypter, Araber, Armenier, Babylonier, Griechen, Inder, Kappadokier, Lyder, Perser und Syrer.
Nach mehrstündiger Besichtigung fuhren wir in der Abenddämmerung wieder zurück.
Unser Video auf YouTube:
Filmclip zum Steinmetz: Clip
Nach dem Dinner wurde die Zeit für uns auch schon knapp. Nima bestellte uns ein Taxi und buchte per Telefon unsere Bus-Tickets. Es klang alles so einfach, doch auch heute artete der Weg zum Bus wieder in Hektik aus: zunächst einmal erfährt man nie, wann genau der letzte Bus fährt. Und immer wieder bekommt man stattdessen zu hören: „wir haben noch Zeit“. Das Personal im Terminal und im Bus versteht aber selten Englisch; und vor zwei Tagen in Esfahan war es selbst für den Einheimischen Mahmood nicht einfach, den richtigen Schalter und die für uns gebuchten Tickets zu finden. Da malten wir uns schon aus, wie zeitraubend und mühsam die Ticket-Suche heute ablaufen würde. Im Geiste sahen wir schon die Rücklichter des ohne uns abfahrenden Busses in der Ferne verschwinden.
Ich brachte meine Bedenken zum Ausdruck. Daraufhin fragte sich Nima per Telefon bis zum Busfahrer durch und organisierte, dass dieser auf jeden Fall auf uns zwei Touristen warten solle. Der Taxi-Zentrale hatte Nima unseren Zielort schon mitgeteilt. Da hofften wir mal, dass die Kommunikation zum Taxifahrer gut funktioniert. Das Taxi kam, wir stiegen ein, er gab Gas, …. und hielt nach einem km vor einem kleinen Büro, wo er wohl etwas zu erledigen hatte. Wir versuchten, entspannt zu wirken und warteten geduldig. Als er zurückkehrte, stand ihm die Wut im Gesicht. Irgendetwas lief wohl nicht nach seinen Wünschen.
Seinen Dampf ließ er dann auf der Straße ab: Der Fahrstil verwandelte sich schlagartig in die „Rally Monte Carlo“-Version: Bremsen war tabu, stattdessen lief die Lichthupe auf Hochtouren, zweimal hatten wir fast Tuchfühlung zum Vordermann und die Fensterscheiben ließ er gleich unten, weil man dann bei den Beschimpfungen der anderen Verkehrsteilnehmer nicht so brüllen muss. Aber wir kamen schnell voran. Das gefiel mir.
Kurz nach Mitternacht erreichten wir das Bus-Terminal. Unser Fahrer brachte noch zum Ausdruck, dass es für ihn eine Ehre war, uns kutschieren zu dürfen und wünschte uns noch viel Erfolg. Im Terminal wartete man schon auf uns und machte uns deutlich, dass wir viel zu spät seien. Das Personal „rannte“ vorneweg. Das war die deutliche Untermalung dieser Aussage.
Am Schalter fand man sofort unsere Tickets, forderte aber einen um 50 % höheren Preis, als uns Nima mitgeteilt hatte. Wir protestierten und forderten den uns bekannten Preis. Das Personal (immerhin vier Personen) hielt kurz inne, schaute sich gegenseitig an … und dann hieß es: Ok; der kleinere Preis war akzeptiert. Wir bezahlten und man „rannte“ mit uns zum Bus. Einsteigen, Türen zu, Abfahrt. Wir atmeten auf.
Wir befürchten, dass das immer so ein heißer Ritt wird, wenn es im Iran um Pünktlichkeit geht, aber offensichtlich ist die Flexibilität an allen mitwirkenden Stellen in der Kette in dieser Hinsicht enorm groß. Das beruhigt.
Mittwoch, 11.05.16
Wir erreichten um 7 Uhr Esfahan und waren genauso gerädert, wie auf der Hinreise vor zwei Tagen. Dafür organisierte sich die Abholung durch unseren Gastgeber Reza vom Bus-Terminal fast von selbst: im Bus bot uns jemand Hilfe an und machte über unser Telefon mit Reza einen Treffpunkt aus. Dort traf Reza nach zehn Minuten per Moped ein, organisierte uns ein Taxi mit einem fest verhandelten Preis und ließ uns zu seinem Haus fahren. Reza fuhr dann wieder zurück ins Büro.
Rezas Frau empfing uns direkt mit einem tollen Frühstück. Und dann sollten wir mal ausspannen. Es tat gut, die intensiven Erlebnisse der letzten Tage einmal in Ruhe sacken zu lassen. Und wir hatten Zeit, all das nachzuholen, wozu man seit Tagen nicht gekommen ist.
Viel erledigt bekamen wir allerdings nicht: Internet bzw. WiFi gab es nicht, weil seit zwei Tagen der alte Vertrag hier im Haus abgelaufen war. Und an unsere Räder und das Gepäck im Hof kamen wir nur selten heran; der Haushund, ein junger Husky, betrachtete den Hof als sein Revier und sprang wie wild an einem hoch, sobald man einen Fuß in den Hof setzte. Selbst die Tochter bangte stets um ihr Kleid. Schuhe zerfleddern ist wohl seine Leidenschaft. Bei unserer Ausrüstung hielten sich die Spuren aber in Grenzen: Eine Isofolie hatte der Hund zerlegt. Wenn wir an die Räder wollten, musste Reza den Hund erst ablenken.
Reza lotste mich am Nachmittag zu einem Bikeshop, wo wir an meinem Fahrrad den Steuersatz zerlegten, um die Ursache für die ungewöhnlichen Knackgeräusche zu finden. Es lag aber wohl nur am fehlenden Fett. Die Lager waren in Ordnung. Auf dem Rückweg fuhren wir noch an einer einzigartigen, armenischen Kirche vorbei, die jetzt in der Dämmerung durch die stimmungsvolle Beleuchtung sehr eindrucksvoll zur Geltung kam.
Donnerstag, 12.05.16
Nachdem wir uns verabschiedet hatten, ging es Richtung Norden aus der Stadt. Wir wollten über Natanz und Kashan wieder nach Teheran zurück und saßen nach mehreren fast radelfreien Tagen endlich mal wieder im Sattel. In Kashan wollten wir unsere Besichtigungstour fortsetzen; wir hatten uns aus Zeitmangel vor einer Woche nur wenige der vielen historischen Häuser angeschaut.
Ab dem Stadtende von Esfahan gab es weit und breit nur trockene, Wüsten-artige Steppe, in der Ferne einige Berge. Nach 30 km kam der Abzweig Richtung Kashan: Autobahn! Für Fahrräder verboten! Stand extra groß auf einer Tafel. Wir waren mittlerweile geübt in der Überschreitung von Verboten und fuhren auf die Autobahn. Es gab ja schließlich keine Alternative, wenn man nicht über die Berge fahren wollte.
Nach 3 km kam plötzlich eine Maut-Stelle. Wir dachten, jetzt schicken die uns zurück oder wir bekommen Ärger. Wir hielten uns äußerst rechts und mogelten uns an einer Durchfahrt mit geschlossener Schranke vorbei. Mit unseren Rädern ging das gerade so. Und dann gaben wir Gas und hofften, dass uns nicht die Polizei hinterherfährt. Es blieb ruhig.
Nach insgesamt 70 km Strecke wurden wir etwas nervös: keine Zivilisation entlang der Straße, kein Wasser und kein geeigneter Boden für unser Zelt. Bis Natanz waren es noch 50 km. Und wir hatten noch 3 Stunden Tageslicht. Wir versuchten, per Anhalter einen Shuttle zu organisieren, der uns näher an die nächste Stadt bringt.
Es dauerte etwas länger, aber wir hatten Glück: Ein Pickup hielt an und nahm uns mit. Wir stellten Räder und Packtaschen auf die Ladefläche und setzten uns dazwischen. Dann folgten windige 140 km „Cabrio“-Fahrt bis Kashan. Wir wären schon mit Natanz zufrieden gewesen. Was für ein Glück. Das Sitzen auf der nackten Ladefläche war derweil nicht besonders komfortabel. Vor allem die Schlaglöcher sorgten immer wieder dafür, dass wir abhoben. Wenn die Sitzknochen sprechen könnten, sie hätten geschriehen vor Schmerzen. Für Abwechselung sorgten dann immer die überholenden Fahrzeuge: Die Insassen scherzten mit uns während dem Vorbeifahren, für viele waren wir ein originelles Fotomotiv. In Kashan angekommen, bedankten wir uns bei unserem Fahrer ganz herzlich mit einem Geschenk.
Es dämmerte schon. Wir kontaktierten einige Warm Showers Mitglieder, doch entweder waren die nicht erreichbar oder zurzeit nicht in Kashan. Unser Anruf kam ja auch sehr kurzfristig. Also kam das Zelt zum Einsatz. Auf der Sucht nach einem geeigneten Platz lotste man uns in den Madami-Park, eine gepflegte Gartenanlage im Stadtzentrum.
Und da waren wir in bester Gesellschaft: Die halbe Stadtbevölkerung befand sich hier zum Picknick mit Zelten. Und je später der Abend, umso mehr Leute kamen hinzu. Das gesamte Gelände war fast lückenlos belegt. Es glich einer Mischung aus Campingplatz und Partywiese zur Hochsaison. Insgesamt zählten wir über fünfzig! Zelte. Wer kein Zelt hatte, rollte einen großen Teppich aus (ohne Scherz: Was in deutschen Wohnzimmern auf dem Boden liegt, wird hier auch fürs Picknick im Kofferraum des Autos mitgeschleppt: ein bis zu 12 m² großer, hochwertiger Teppich).
Es wurde gekocht, gegrillt, Galion geraucht, Tee im großen Samowar zubereitet oder Volleyball gespielt. Die Geräuschkulisse glich der in einem überfüllten Freibad. Auch wenn wir sonst Ruhe und Natur fürs Zelten bevorzugen, dieser Zeltplatz war für uns ein Erlebnis.
Freitag, 13.05.16
Jetzt bei Tageslicht wurden wir von den Einheimischen hier im Park wahrgenommen. Sie begrüßten uns und viele von ihnen wollten sich mit uns fotografieren lassen. Wir hatten gerade unsere Räder fertig gepackt und waren bereit zur Abfahrt, da lud man uns auf einen Tee ein. Wir nahmen Platz auf deren Picknick-Decke und durften die vielen Fragen beantworten. Nach dem Tee wollten wir aufbrechen, doch wir sollten noch zum Lunch bleiben. Der Reis stand schon auf dem Gaskocher und die beiden Ehefrauen schnibbelten das Gemüse. Wir blieben.
Nachdem wir Fotos aus der Heimat gezeigt hatten, luden sie uns zur Übernachtung in ihr Haus ein. Wir freuten uns. Nach dem Lunch teilten sie uns dann ganz beiläufig mit, dass ihr Haus nur! 170 km von Kashan entfernt sei. Damit war der Traum von der Übernachtung im Haus erstmal geplatzt.
Nach der Verabschiedung fuhren wir, wie geplant, zu den historischen Häusern. An einem Verteilerkreis fuhr ich kurz gegen die Fahrtrichtung, um die Beschilderung zu lesen, da rief mir aus der Ferne ein Polizist zornig zu, ich solle warten. Er bewegte sich zügig auf mich zu. Ich dachte, jetzt gibt es mächtig Ärger. Je näher er mir kam, umso mehr glitt sein Blick aber von mir weg. Und dann ging er an mir vorbei, zu einer Person im Zentrum des Verteilerkreises. Die stand zufällig mit mir in einer Linie zum Polizisten. Ich atmete erleichtert auf und fuhr weiter.
Wir besuchten gerade die Moschee, die den Imamzadeh-ye Sultan Mir Ahmad Shrine beherbergt, da sprach uns Ali an, ein junger Student, der selber in Zukunft Radreisen in exotische Ländern unternehmen will. Er bot uns eine Stadtführung und die Übernachtung in seiner Wohnung an. Wir waren etwas irritiert, wie schnell sich unser Schicksal bezüglich der Übernachtungsstätte änderte. Jedenfalls lag Alis Wohnung im Zentrum von Kashan. Das hörte sich gut an und wir sagten zu.
Wir fuhren die Räder bis in den Hof vor Alis Wohnung und er nahm uns im Auto mit auf eine Rundfahrt zu den Sehenswürdigkeiten, die wir bisher noch ausgelassen hatten: zwei historische Häuser, zwei Moscheen und die 400 Jahre alte Schutzmauer der Festung von Kashan. Zum Dinner fuhren wir nach Hause.
Samstag, 14.05.16
Gemeinsames Frühstück, Abschied, Einkauf bei Bäcker und Gemüsestand, dann wollten wir am Bus-Terminal unsere Tickets für die heutige Busfahrt nach Teheran kaufen. Unterwegs sprach uns ein einheimischer Radler an. Er wollte wissen, was wir alles schon gesehen hätten in Kashan. Und dann riet er uns eindringlich, im 5 km entfernten Nooshabad die unterirdische Stadt zu besichtigen. Wir beherzigten den Tipp und fuhren Richtung Nooshabad.
Ein Mopedfahrer war uns behilflich, den richtigen Abzweig zu finden und schenkte uns 500 m weiter an einem Straßenstand eine pralle, schwere Wassermelone. Wir bedankten uns und beschlossen, dieses Monstrum an Ort und Stelle zu vertilgen. Wir halbierten die Frucht und verschenkten eine Hälfte an eine Autowerkstatt an der Straße. Während wir uns an der anderen Hälfte zu schaffen machten, hielt ein Autofahrer und fragte, ob er helfen kann. Wir sagten „nein, danke“, doch er blieb hartnäckig und organisierte uns per Handy einen persönlichen Touristenführer. Der begleitete uns dann bis zum Eingang der unterirdischen Stadt. Unterwegs lud er uns noch auf einen Tee im Büro eines Freundes ein.
Die unterirdische Stadt war ein Highlight: drei Ebenen mit langen Gängen, Wohnkammern, Tierfallen, Klimasystem, … Sie wurde vor 1500 Jahren angelegt zum Schutz der Bevölkerung, war architektonisch sehr gut durchdacht und bot angenehm kühle Temperaturen. Das Gänge-System war stimmungsvoll ausgeleuchtet; zumindest in der ersten Hälfte. Im unbeleuchteten Teil mussten alle ihre Taschenlampenapp am Handy aktivieren. Hatte man kein Licht, stieg die Gefahr, in einen der ungesicherten Schächte zu fallen. Nicht ungefährlich. Unterdessen erhielten wir eine Führung auf Farsi-Englisch. Viel verstanden hatten wir nicht, aber sie hatten sich bemüht.
Als wir das Museum verließen, erschlug uns eine brütende Hitze. Wir hatten 40 °C. Da kauften wir spontan eine Großpackung Speiseeis und suchten uns am Straßenrand einen schattigen Platz. Ein Passant legte uns nahe, mit dem Eis doch in den zwei km entfernten Park zu fahren. Wäre viel schöner dort. Das Eis wäre bis dahin aber auch geschmolzen, also wollten wir hier bleiben. Der Passant blieb jedoch hartnäckig; er meinte es ja nur gut, aber uns war es zu viel. Ein Anwohner auf der anderen Straßenseite winkte uns dann zu sich herüber und lud uns ein, ins Haus zu kommen, dort wäre es kühl.
Kaum saßen wir auf dem Teppich im Gebetsraum des Hauses, brachte seine Frau uns Tee und Melone. Wir revanchierten uns mit einem Stück von unserem Eis. Daraufhin brachten sie uns kurze Zeit später zwei Portionen Iranian Kebab mit Reis. Wir waren sprachlos. Als wir uns dann mit einem kleinen Geschenk verabschieden wollten, boten sie uns noch Dusche und Schlafraum an. Wir waren jedoch spät dran für die geplante Busfahrt nach Teheran.
Um 16 Uhr kauften wir unsere Bustickets, legten unsere Räder und das Gepäck wieder in die enge Gepäckbox und fünf Minuten später fuhr der Bus los. Wir sind immer in Sorge um die Räder auf so einer Busfahrt. Wenn später Zusteigende einige Reissäcke auf die Räder werfen oder durch den ruppigen Fahrstil Koffer auf die Räder fallen, ist schnell mal etwas kaputt: Spiegel abgebrochen, Speichen verbogen, usw.
Um 19 Uhr erreichten wir Teheran. Unerwarteterweise fuhr dieser Bus nicht zum nördlichen Bus-Terminal, sondern nur bis zum bekannten Süd-Terminal. Das bedeutete: 20 km Bergauf-Fahrt per Fahrrad quer durch Teheran bis zur bekannten Wohnung von Navid bzw. seinen Bruder Milad bei Dunkelheit. Wir machten uns auf den Weg. Unterwegs boten uns zweimal Iraner ihre Wohnung für eine Übernachtung an. Wir hätten sie gerne angenommen, um die nächtliche Fahrt durch diese Stadt zu verkürzen, doch ein Teil unseres Gepäcks befand sich noch in Milads Wohnung und wir hatten unsere Ankunft schon telefonisch mitgeteilt.
Um 23 Uhr erreichten wir Milads Wohnung, holten beim Nachbarn den Schlüssel und wurden dort erstmal eingeladen auf einen Snack.
Sonntag, 15.05.16
Um 6:30 Uhr aufzustehen war nicht ganz einfach nach dem gestrigen Tag. Aber ich wollte um 8:30 Uhr an der Botschaft von Usbekistan sein. Das klappte auch perfekt. Frustrierend war allerdings, dass die professionellen Visa-Büros sich schon mit einer Rangliste am Tor der Botschaft die ersten Plätze reserviert hatten, obwohl noch keiner von denen hier an der Botschaft wartete. So war ich zwar der erste am Tor, aber wohl der siebente am Schalter, wenn es um 9 Uhr losgeht.
Um 8:35 Uhr kam der erste Botschafts-Mitarbeiter zur Arbeit, fragte mich, was ich wolle und woher ich komme. Aus Deutschland, per Fahrrad, bis Indonesien auf der Seidenstraße? Er war begeistert und nahm mich direkt mit zum Schalter. Um 8:55 Uhr, also vor der offiziellen Öffnungszeit und somit auch vor all den Visa-Agenturen, hielt ich unsere Visa in den Händen. Das hatte ja schon mal besser geklappt als erhofft.
Jetzt musste ich noch Farbkopien von den Usbekistan-Visa machen lassen. Die fordert die Turkmenistan-Botschaft für ein Visum. Ich fragte einen Passanten nach einem Copyshop in der Nähe. Er bot mir spontan das Kopier-Equipment in seinem Büro an. Ich folgte ihm ins Büro und nach kurzer Zeit hatte ich die benötigten Kopien. Die Kollegen luden mich noch zum Frühstück ein, doch ich wollte möglichst schnell auf die nächste Botschaft. Daraufhin wollte ein Kollege für mich die Visa-Angelegenheiten übernehmen, während ich mit den anderen Kollegen frühstücke. Es gibt wohl tatsächlich kein Limit bei der Gastfreundschaft in diesem Land. Es bleibt unglaublich.
Natürlich behielt ich die Visa-Beschaffung weiterhin in meiner Hand. Auf der Tadschikistan-Botschaft tat sich bis 10:30 zunächst gar nichts. Offiziell öffnen sie um 9:00 Uhr, aber das ist wohl lediglich ein Richtwert. Dann wurde das kleine Fensterchen geöffnet und alle 7 Wartenden stürzten zum Schalter.
Nach einer halben Stunde war ich an der Reihe. Der Konsular-Bearbeiter nahm unsere Pässe und 50 € Visa-Gebühr entgegen und erklärte mir ausschweifend, aus welchen Gründen er die Ausstellung unserer Visa heute nicht mehr schaffe. Also sollte ich morgen um 11 Uhr wiederkommen. Dann wäre die Turkmenistan-Botschaft, meine nächste Anlaufstelle, schon wieder geschlossen. Also kämpfte ich um eine frühere Visa-Ausgabe und wir einigten uns auf 10 Uhr. Aber ich solle pünktlich sein, er habe schließlich viel zu tun.
Ich fuhr noch zur Turkmenistan-Botschaft, um zu erkunden, ob morgen tatsächlich geöffnet ist. An der Türe hing ein Zettel. Ich suchte die englische Übersetzung und … es trieb mir das Entsetzen in die Augen: Die Botschaft hat bis einschließlich 22.05.16 geschlossen! Damit war die gute Laune für heute dahin.
Auf dem Heimweg ging ich alle möglichen Alternativen durch. Es schien mir der beste Weg, mit den Rädern weiterzufahren und am 23.05. für einen Tag per Bus oder Bahn nach Teheran zurückzukommen, dort die Turkmenistan-Visa zu beantragen und am selben Tag wieder per Bus zu den Rädern zurückzufahren. In Maschhad würden wir dann 8-10 Tage später das Visum abholen. Wir waren auf Schwierigkeiten bei der Visa-Beschaffung gefasst; aber dass es uns so hart trifft, damit hatten wir nicht gerechnet.
Abends waren wir zu Gast bei Hossein, einem Nachbarn von Milad: eine kleine Party mit Bier, Wein und Snacks sorgte da für etwas Ablenkung.
Montag, 16.05.16
Um 9:30 traf ich auf der Tadschikistan-Botschaft ein. Bis 10:30 tat sich gar nichts. Dann ging das Fenster auf und ich erhielt unsere Pässe samt Visa. Dann fuhr ich zur Turkmenistan-Botschaft. Obwohl die Visa-Stelle laut Anschlag geschlossen war, versuchte ich, unsere Anträge abzugeben. Nur darum ging es ja: Alle Unterlagen waren komplett und es musste nur jemand entgegennehmen und mir sagen, wann wir in Maschhad unsere Visa abholen könnten.
Ich klopfte am Fenster-Verschlag. Der Sicherheitsdienst kam und zeigte mir den Seiteneingang. Ich betätigte die Klingel und durfte mein Anliegen vorbringen. Nein, geht nicht; es ist geschlossen. Neben der Türe war die Einfahrt für die Fahrzeuge. Dort hörte ich Stimmen. Also rief ich hinein und wartete, bis jemand kam. Der, der kam, verstand kein Englisch. Aber er holte jemanden, der mich verstand. Dann solle ich am Visa-Schalter warten; er wolle jemanden an den Schalter schicken. Das war dann die letzte Instanz.
Der Mitarbeiter hörte mir zu, lehnte aber die Annahme unserer Anträge ab, weil er nicht verantwortlich sei und auch sonst kein Verantwortlicher im Haus sei. Damit war das Thema abgeschlossen. Keine Chance, die Anträge abzugeben. Damit stand fest, dass ich am 23.05. wieder nach Teheran zurückfahren darf, um die Anträge abzugeben. Zerknirscht zog ich ab und fuhr nach Hause.
Wenn wir Teheran morgen verlassen, erreichen wir am 22.05. voraussichtlich die Stadt Semnan. Mit Unterstützung der Nachbarn suchte ich im Internet passende Bus- und Zug-Verbindungen für die Kurzreise von Semnan zur Turkmenistan-Botschaft in Teheran und organisierte eine Übernachtung bei einem Warm Showers Kollegen in Semnan.
Abends kamen nochmals alle Nachbarn vorbei, die uns über die Tage in Teheran kennengelernt hatten, und wünschten uns gute Reise.
Dienstag, 17.05.16
Um 8:30 waren wir startklar und wir verabschiedeten uns von Milad. Aus dem Norden Teherans kommend hatten wir kontinuierlich Gefälle und ab Stadt-Ende traumhaften Rückenwind. Auch hinter Teheran ging es weiter bergab; Teheran liegt schließlich auf 1200 m Höhe. So ließen wir uns heute regelrecht treiben und schafften ohne größere Anstrengung 90 km Strecke bei einem Durchschnitt von 19 km/h. Das hatten wir noch nie auf Touren mit Gepäck.
Über die gesamte Strecke genossen wir die wüstenartige Landschaft um uns herum. Eine dürre, sandige Ebene ohne Bäume, nur einigen Hügelketten in weiter Ferne. Die unbarmherzige Sonne und die tropischen Temperaturen um 40 °C passten dazu gut ins Bild.
In Eivanekey bekamen wir von einem Passanten eine Melone geschenkt. Wir suchten uns eine ruhige Pausenecke und vertilgten die Melone. Währenddessen lud uns der Chef der benachbarten Konditorei in sein Geschäft ein. Kaum saßen wir dort, servierte er uns eine kleine Auswahl seiner Gebäckvielfalt: Törtchen mit Buttercreme, Kokosplätzchen, usw. Richtig lecker. Dann gab er uns noch eine Tüte voller Köstlichkeiten als Wegzehrung mit. Zufällig hatten wir auch einen Anlass zum Feiern: die 12.000 km waren erreicht. Das feierten wir dann ordentlich mit den süßen Häppchen.
Wir beschlossen, uns hier in Eivanekey einen Zeltplatz zu suchen. Auf den nächsten 30 km bis Garmsar gibt es keine Zivilisation und kein Wasser. Das wäre zum Zelten etwas unglücklich.
Mittwoch, 18.05.16
Irgendwie waren wir doch geschlaucht durch den gestrigen Tag. Um 9 Uhr standen wir erst auf. Die Sonne brannte schon aufs Zelt. Für das Frühstück im Schatten der Bäume nahmen wir uns trotzdem Zeit. So verließen wir die Stadt erst um 11 Uhr. Unser heutiges Ziel war Garmsar, 30 km Strecke von hier.
Der Wind hatte gedreht und arbeitete gegen uns. Da waren wir froh, dass wir nur 30 km vor uns hatten. Interessant war heute die Passage durch einen Gebirgsriegel. Die Berge waren nicht hoch, aber das Landschaftsbild war grandios: Wüstenberge ohne Vegetation, in deren Hänge das ablaufende Regenwasser in regelmäßigen Abständen tiefe Furchen gegraben hatte (wenn es denn mal regnet hier), ein ausgetrocknetes Flussbett mit weißer Salzkruste und eine Straße, die sich nahezu ebenerdig zwischen den Hügeln hindurch schlängelte. Mit 42 °C war es eigentlich viel zu heiß zum Radeln.
Erschwerend kam hinzu, dass weit und breit kein schattiger Platz zu finden war. Wasser hatten wir zum Glück in ausreichender Menge mitgenommen. Der Wasser-Konsum war enorm heute.
In Garmsar war unser Wasser-Vorrat dann doch leergefahren und wir füllten an der erst-besten Stelle, einem Eisladen, unsere Wasserflaschen auf und erhielten prompt ein Eis geschenkt. Das tat gut. Dann flüchteten wir vor der Hitze in einen kleinen Park an einer Schule.
Wir informierten unseren Warm Showers Kontakt über unsere Ankunft. Er war noch in Teheran bis zum Abend, schickte uns aber sofort seinen Bruder vorbei. Der sollte uns zum 15 km entfernten Haus fahren. Seine Pickup-Ladefläche war viel zu kurz für unsere beiden Räder. Doch er sah das anders und so hoben wir beide Räder in bepacktem Zustand auf die Ladefläche und stellten sie diagonal. Die Hinterräder standen 10 cm von der hinteren Ladekante entfernt. Die Ladetüre blieb offen; die Räder standen zu weit über. Ich blieb auf der Ladefläche und stellte mich neben die Räder, um während der Fahrt dafür zu sorgen, dass sie auch sicher ankommen.
Ich versuchte durch breitbeinigen Stand, mich für den Rodeo-Ritt auf der kleinen Ladefläche zu wappnen. Zusätzlich wollte ich mich an der hohen Seitenwand festhalten. Die war jedoch so stark von der Sonne aufgeheizt, dass es mir die Hand verbrannte. Ich hielt die Hinterradbremse von Annett Rad permanent gezogen und er fuhr los. Sehr gefühlvoll und langsam. Als er merkte, dass ich da oben wohl ganz gut klarkam, wurde er mutiger und gab Gas.
Der 40 °C heiße Fahrtwind bei Tempo 80 war dann ein ganz besonderes Erlebnis. Das fühlte sich an, wie der Aufguss in einer Sauna. Es waren 15 km Landstraße bis zum Haus in einem kleinen Dorf in der Wüste. Die Räder kamen heile an. Und ich auch. Erst im Nachhinein wird einem meist bewusst, wie riskant solche Aktionen eigentlich sind.
Am Haus angekommen, erwartete uns die Mutter schon mit Eiswasser und Melone. Doch trotz Klimaanlage und all den Erfrischungen blieb es unerträglich heiß. Abends kam dann wieder ein Sandsturm auf und staubte unsere Räder ein.
Donnerstag, 19.05.16
Heute waren wir um 8 Uhr abfahrbereit. So konnten wir die kühlen Stunden des Tages zum Radfahren nutzen. Doch wirklich kühl war es nicht: Wir hatten 30 °C, als wir losfuhren.
Auf dem Weg vom Dorf auf die Hauptstraße gab es dann kleine Geschenke am laufenden Band: erst drückte uns ein Anwohner einige Gurken in die Hand, danach reichte uns ein Bauer aus dem fahrenden Auto eine Wassermelone.
Als wir die gerade aßen, hielt eine Familie auf dem Mofa auf unserer Höhe und schenkte uns eine Honigmelone. Die hatten wir noch nicht verpackt, da kam der Wachdienst vom benachbarten Friedhof und brachte uns einen Kaffee. Auf der Straße zurück, hielt uns das Team eines Ambulanz-Fahrzeugs an und wollte unbedingt Fotos mit uns vor dem Rettungswagen machen. Sie bedankten sich bei uns (wofür?) und drückten uns jede Menge Erste-Hilfe-Verbandszeug in die Hand. Was für ein Tages-Auftakt.
In Aradan liefen wir mal wieder einer Polizeikontrolle in die Arme. Wir sollten mit auf die Station kommen, wo sie dann unsere Pässe einscannten und in allen Details unsere Reiseroute durch den Iran wissen wollten. Zum Schluss wollte der Teamleiter noch wissen, was „I love you“ auf Deutsch heißt und dann durften wir wieder fahren. Echt süß!
Die Straße führte weiter durch Wüste. Kaum Vegetation, nur Geröll und endlose Weite, im Norden eine sehenswerte Bergkette, die aber mit steigender Sonne mehr und mehr im Dunst verblasste. Die Temperatur erreichte schnell wieder 42 °C. Einzige, schattige Pausenstelle nach 35 km! war eine Service-Station mit Tankstelle, einem Laden und einer Station vom Rettungsdienst. Es gab Wasser und Schatten. Das war für uns wichtig. Die Pausen werden bei dieser Hitze etwas ausgedehnter: man regeneriert nicht so schnell wie bei gemäßigten Temperaturen. Die Hitze macht träge, man fühlt sich schlapp und kraftlos.
Nach drei Stunden Pause im Schatten wollten wir weiter fahren. Zur Sicherheit erkundigten wir uns noch über die Entfernung zum nächsten Dorf. Das wären wohl 2,5 h mit dem Rad. Wir addierten noch eine Stunde hinzu wegen des heutigen Gegenwindes und unserem Gepäck und nach einem Blick auf die Uhr war uns dann sofort klar: Wir fahren heute nicht mehr weiter. Dafür war es schon zu spät. Wir fragten in der Rettungsstation nach einem Platz für die Nacht. Wir durften bleiben. Kein Problem. Sie wollten nur Fotokopien von unseren Pässen machen, zur Sicherheit. Das kannten wir schon.
Abends kam dann wieder so ein Sturm auf, wie wir ihn in den letzten Tagen häufiger erlebt hatten: heftigster Wind, ein paar dunkle Wolken, aber kein Regen; und nach einer Stunde war wieder Ruhe.
Freitag, 20.05.16
Wir hätten doch besser die Klimaanlage über Nacht laufen lassen. Mit 30 °C war es zu heiß zum Schlafen. Zum Frühstück gab es seit langem mal wieder Haferflocken. Brot hatten wir nicht mehr viel. Das hoben wir uns für die Mittagspause auf. Wir warteten noch ein Wärmegewitter ab und fuhren los. Im Gepäck hatten wir 6 Liter Wasser. Es gibt hier über lange Strecken kein Wasser unterwegs an der Straße. Da wollten wir lieber zu viel mitschleppen, als zu wenig.
Der Gegenwind war heute noch heftiger als gestern. Wir schafften im Schneckentempo gerade mal die 21 km bis zur nächsten Service-Station, da waren wir schon reif für eine große Pause. Etwas essen, ein Nickerchen machen und dann wollten wir weiter. Einige Fernfahrer rieten uns, über Nacht hier zu bleiben, denn auf den nächsten 55 km bis Semnan käme wohl keine Zivilisation mehr. Das waren ja schöne Aussichten.
Als dann ein Gewittersturm aufkam, nahmen wir das Angebot, hier zu übernachten, an. Abends kam dann noch ein kleiner Sandsturm aus der Wüste an uns vorbei. Wir sahen die Sandfront auf uns zukommen, dann wurde es laut und die Sicht war unter 10 m, die Luft war voller Sand. Nach fünf Minuten war alles vorbei. Wir waren froh, dass wir hier einen sicheren Unterschlupf hatten. Geschlafen haben wir dann im Gebetsraum hinter der Küche des Restaurants bei 32 °C.
Unsere Videos auf YouTube:
Filmclip zum Sandsturm: Clip
Filmclip zur Gewitterstimmung: Clip
Samstag, 21.05.16
Wir fuhren zeitig los, um den kühlen Morgen zum Radeln zu nutzen. Der Gegenwind war nicht mehr so heftig wie gestern, daher kamen wir gut voran. Wir fuhren weiter entlang dieser wunderschönen Bergkette im Norden. Auf der Südseite der Straße gab es immer wieder alte, größtenteils verlassene, Lehmbehausungen zu besichtigen. Angenehm kühl war es in diesen Hütten trotz der Sonnenstrahlung.
In Sorkheh, der ersten „Stadt“ seit zwei Tagen, klapperten wir erst einmal alle Läden ab: Haferflocken, Käse, Gemüse und Brot wollten, …nein „mussten“ wir kaufen; wir waren leer gefahren. Für den Brotkauf waren wir zu spät … oder zu früh, je nach Sichtweise. Sangak und Barbari gäbe es erst wieder ab 17 Uhr. Das war uns schon häufiger passiert. In einer dritten Bäckerei konnten wir dann Lavash kaufen, aber bezahlen durften wir nicht. Ging aufs Haus. Danke! Wir machten Pause im Park und durften wieder viele Fragen der Stadtbewohner beantworten. Und wieder überreichte man uns ein Geschenk: eine Dose voller Nüsse und Knabberkram.
Das Wetter wurde nachmittags schlechter und ich schlug vor, heute noch weiter zu fahren, um morgen keinen Stress bei der Anfahrt auf Semnan zu bekommen. Dort wollten wir bei Mojtaba, unserem Warm Showers Kontakt übernachten. Und ich hatte für morgen, 17 Uhr, ein Zugticket nach Teheran. Dort stand der hoffentlich letzte und erfolgreiche Besuch auf der Turkmenistan-Botschaft an (die ja bis zum 23.5. geschlossen ist).
Kaum hatten wir Sorkheh verlassen, bremste uns ein derart heftiger Gegenwind aus, dass wir nur noch im Schneckentempo vorwärtskamen. Die dunklen Wolken vor uns kamen immer näher und kurz vor Semnan war es dann so weit: Ein Platzregen kündigte sich an. Ich gab Gas und fand unweit eine Unterführung als Unterstand. Annett war weiter hinten und kämpfte sich durch den Gegenwind. Der Regen erwischte sie mit voller Wucht. Der Hagel prasselte auf ihren Rücken. Zum Glück hatte sie den Helm auf. Blitz und Donner waren auch mit von der Partie. Der Schauer war heftig, aber kurz. Nach zehn Minuten war alles vorbei. Annett schüttete das Wasser aus ihren Schuhen und dann ging es weiter. Es war glücklicherweise nicht mehr weit bis zur Stadt.
Wir riefen Mojtaba an und machten einen Treffpunkt aus. Während wir warteten, lud uns ein Autofahrer zur Übernachtung ein. Wir bedankten uns, doch er ließ sich nicht abwimmeln und wollte Mojtaba davon überzeugen, dass sein Haus die bessere Alternative für uns sei. Doch Mojtaba blieb hartnäckig und am Ende fuhren wir zu Mojtaba. Unterwegs bekamen wir gleich zweimal aus fahrenden Autos eine süße Gebäck-Spezialität aus Semnan in die Hand gedrückt.
Mojtaba wohnte im ersten Stock. Da war das Hochschleppen von Gepäck und Rädern ausnahmsweise mal zügig erledigt. Zum Dinner gab es dann die mächtigsten Sandwichs, die wir je gegessen hatten; 1-kg-Burger quasi.
Sonntag, 22.05.16
Zum Frühstück servierte uns Mojtaba „Kale Pache“, eine echte iranische Spezialität. „Suppe vom Schafskopf und den Schafpfoten“. Konkret heißt das: Hirn, Zunge, sowie alles sonst noch essbare vom Kopf und die Beine samt Hufe. Eine echte Delikatesse. Ich war froh, dass noch Käse und Konfitüre auf dem Tisch standen, fand aber dann doch Gefallen an den Schafs-Stückchen. War also gar nicht so schlimm.
Wir hatten kein Besichtigungs-Programm geplant und genossen erstmal die kühle Luft in der Wohnung nach den heißen Tagen seit Teheran. Ich packte in Ruhe meinen Rucksack für den anstehenden Zwei-Tages-Trip nach Teheran und um 16:30 Uhr fuhr Mojtaba mit mir zum Bahnhof. Wir nutzten die Verspätung meiner Zugverbindung, um schon das Rückticket für morgen zu kaufen.
Um 21:00 Uhr erreichte ich den Bahnhof Teheran, um 22:30 Uhr war ich bei Milad angekommen, wo ich die folgende Nacht verbringen durfte. Und die Nachbarn kamen direkt vorbei und boten mir an, mich morgen zur Botschaft zu kutschieren. Danke!
Montag, 23.05.16
Um 8:30 Uhr brachte mich Milads Nachbar zur Turkmenistan-Botschaft. Die Warteschlange füllte sich bis 9:00 Uhr auf 30 Personen. Da staut sich schon einiges auf, wenn die Botschaft für zehn Tage geschlossen hat. Der Schalter wurde geöffnet und nach zehn Minuten war ich an der Reihe. Die Unterlagen waren komplett, in 8 bis 10 Werktagen sollen die Visa abholbereit sein. Da bleibt nicht mehr viel Zeit für den Weg von Maschhad bis zur turkmenischen Grenze.
Mein Zug zurück nach Semnan fuhr erst am Nachmittag um 15:30 Uhr. Da hatte ich noch Zeit für einen Bummel über einen der Basare. Um 14 Uhr suchte ich mir die nächstbeste Metrostation und wollte zum Bahnhof fahren.
Die Metro ließ auf sich warten, das Umsteigen von Linie 1 auf Linie 3 kostete einen Umweg von 10 Stationen (damit hatte ich nicht gerechnet, das sah in meinem Stadtplan anders aus) und die Wege durch die Untergrundstationen waren ungewöhnlich weit. Da schmolz meine Zeitreserve dahin wie Eis in der Sonne. Plötzlich hatte ich Sorge, ich verpasse meinen Zug.
Um 15:27 Uhr erreichte die Metro endlich die Station am Bahnhof. Ich rannte in den Bahnhof (noch drei Minuten bis zur Abfahrt!). Atemlos vom Rennen hielt ich dem ersten Offiziellen mein Ticket unter die Nase. Der riss die Augen weit auf und wusste sofort, dass ich jetzt einen Leitstrahl benötigte. Ich bekam sogleich die richtigen Instruktionen: sofort dort zu dem Polizei-Schalter und den Pass zeigen, dann 50 m weiter durch die Schranke, dort nochmals Ticket und Pass zeigen, 100 m weiter durch das große Tor und dann zum Gleis 5 rennen. Damit nichts schiefging, rannte der Offizielle hinter mir her und korrigierte lautstark meine Laufrichtung, wenn es erforderlich war.
Ich sah den Zug und wollte einsteigen. „Stoooop!“, riefen sie mir zu; ganz nach vorne sollte ich rennen. Das wollte ich nicht glauben, rannte aber trotzdem den ganzen Zug entlang. Das Ende des Bahnsteigs war schon zu sehen, da erkannte ich erst: vor dem langen Zug stand ein weiterer, kurzer Zug; meiner! Ich zeigte mein Ticket und durfte einsteigen. Ich hatte meinen Sitzplatz noch nicht erreicht, da fuhr der Zug los. Puh! Das war knapp. Hätte ich den Zug verpasst, wäre eine Busfahrt notwendig geworden. Das wäre dann ein Nacht-füllendes Programm geworden.
Mojtaba fing mich in Semnan direkt am Bahnhof ab und organisierte ein Taxi für die Heimfahrt. Ich atmete auf. Alles hatte gut geklappt.
Unser Video auf YouTube:
Filmclip zur Zugfahrt nach Semnan: Clip
Dienstag, 24.05.16
Mojtaba bot uns an, noch länger zu bleiben. Dass unsere Fahrräder derweil in seinem Wohnzimmer standen, störte ihn nicht weiter. Und er freute sich über unsere Gesellschaft, wenn er von der Arbeit kam.
Das war die Gelegenheit, auf unserer Website endlich mal die Artikel von Georgien und Armenien zu veröffentlichen. Mojtaba überließ mir seinen Rechner und ich konnte am Blog arbeiten. Das Internet fiel auch nur ganz selten aus. Jeder dritte Speicher-Vorgang endete mit einem Error und ich musste mich neu anmelden in unserem Blog; aber ich war glücklich, endlich einmal den Rückstand in der Reisebericht-Erstattung reduzieren zu können.
Zum Lunch waren wir eingeladen bei einer Arbeitskollegin von Mojtaba. Und da lernten wir wieder neue iranische Köstlichkeiten kennen. Mojtaba war dabei, musste aber nach dem Lunch wieder arbeiten. Seine Kollegin hatte sich extra einen freien Tag genommen, um für uns ein Festessen vorzubereiten. Wir waren begeistert und haben es genossen.
Nach Mitternacht wurde dann auf meinen Geburtstag angestoßen und es gab eine große Portion Eis vom besten Eiscafé der Stadt.
Mittwoch, 25.05.16
Mein Geburtstag. Annett machte ein tolles Frühstück mit Kerzenlicht. Dann widmeten wir uns weiter unseren kleinen Jobs: arbeiten am Blog, Videos hochladen auf unseren YouTube-Kanal, usw.
Am Nachmittag gab es dann drei Sorten Melone, Kuchen und anderes Gebäck und wir fachsimpelten über Reiseräder und die Technik am Fahrrad. Mojtaba will sich demnächst auch ein Fahrrad zulegen; da waren die Ausstattung unserer Räder und unsere Erfahrungen natürlich interessant.
Donnerstag, 26.05.16 – Sonntag, 29.05.16
Wir blieben noch bis zum 29.05. bei Mojtaba. Er freute sich über unsere Gesellschaft und wir hatten die seltene Gelegenheit, ausgiebig am Blog zu arbeiten. So schafften wir die Veröffentlichung unserer Erlebnisse von den Ländern Georgien, Armenien und Iran bis einschließlich zum 23.05. Somit hatten wir den Rückstand komplett abgearbeitet.
Des Weiteren überspielten wir Fotos und Filme aus den SD-Karten der Kameras auf unsere externe Festplatte. Damit liefen wir nicht mehr Gefahr, dass unser Fotomaterial bei den anstehenden Grenzkontrollen von den Kameras gelöscht wird, wenn es den Grenzbeamten nicht gefällt.
Wir begannen auch schon mit der Routenplanung für die Länder nach den Stan-Staaten. Unsere ursprüngliche Planung war, von Kasachstan über China nach Vietnam zu radeln. Die Visa-Beschaffung für China hatte sich jedoch in den letzten Monaten so Touristen-unfreundlich verändert, dass wir in Erwägung zogen, von Kirgistan aus nach Vietnam zu fliegen und dafür länger in Kirgistan zu bleiben (bis zu zwei Monate Aufenthalt sind ohne Visum möglich).
Die aktuelle Situation zum China-Visum im Detail: in der Botschaft in Teheran bekommt man es zurzeit sehr leicht; aber die 90 Tage Einreise-Gültigkeit wären schon verstrichen, wenn wir erst im Oktober einreisen.
Taschkent in Usbekistan bedeutet einen Umweg, der uns einige Tage kosten würde. Die Botschaft in Osh in Kirgistan stellt Visa nur für Einheimische aus. Und die Botschaft in Bischkek in Kirgistan fordert mittlerweile einen gebuchten und bezahlten Flug. Mit vorgetäuschten Flügen geht es also nicht mehr. Das macht die Visa unnötig teurer. In Almaty in Kasachstan fräße die Wartezeit die Hälfte unseres Visums-freien Aufenthalts von 15 Tagen auf.
Bliebe noch Astana: Zugfahrt über 1000 km in den Norden Kasachstans, 2 Tage Vorbereitung aller Unterlagen, eine Woche Bearbeitungszeit und die Rückfahrt machen zusammen 11 Tage. Bei 15 Tagen visafreiem Aufenthalt bleibt da nicht viel Zeit für Anderes. Das Visum gibt es dort wohl sehr viel preiswerter als in anderen Botschaften und es gibt wohl zwei Monate mit double-entry.
Am 29.05. verabschiedeten wir uns von Mojtaba und brachen am Nachmittag Richtung Shahrud auf. Wir wollten uns direkt von Semnan aus per Anhalter mitnehmen lassen; das ersparte uns 170 km mühsame Fahrt durch die Berge bei starkem Seitenwind.
Tatsächlich hielt ein LKW und der Fahrer wollte uns mitnehmen. Er öffnete die Türen vom Laderaum und … das klappt nicht, dachte ich. Der LKW war voll beladen. Unmengen kleiner Karton standen gestapelt, davor ein Stapel scharfkantiger Karosserieteile. Ich bedankte mich und signalisierte meine Bedenken, doch er stieg wild entschlossen auf die Pritsche und warf die Blechteile auf die Kartons. Damit erzeugte er soviel Platz, dass beide Räder so eben hineinpassten. Die Packtaschen warfen wir hinter die Räder.
Ich hoffte darauf, dass die Blechteile während der Fahrt auch auf den Kartons liegen blieben und nicht wie scharfe Messer in unsere schönen, (noch) dichten Packtaschen purzelten. Drei Stunden dauerte die Fahrt. Ausnahmsweise saßen wir heute mal vorne neben dem Fahrer, und nicht bei den Rädern im Laderaum.
Unser Video auf YouTube:
Filmclip zur LKW-Fahrt: Clip
Wir erreichten Shahrud in der Dämmerung und fuhren zu unserer Übernachtungsstätte. Ein Freund vom Nachbarn in Teheran hatte uns in seinem kleinen Hotelbetrieb hier in der Stadt ein Zimmer zum Nulltarif angeboten. Wir transportieren die bepackten Räder im Hotel mit dem Aufzug in den obersten Stock. Dort erwartete man uns schon mit Melone und Tee.
Montag, 30.05.16
Zum Abschied bekamen wir noch eine Melone als Wegzehrung mit ins Gepäck. Dann fuhren wir ins Zentrum und fragten uns durch nach Bastam. Dort wollten wir uns die Emam Zadeh Mosque samt Shrine und die alte Jamea Mosque (Qazan Khan) ansehen. Unterwegs drückte uns ein Händler im Vorbeifahren 2 Dosen kalten Orangensaft in die Hand. Das tat gut, bei der Hitze.
In einem Outdoorshop stöberten wir kurz durch das Sortiment und kamen mit Payan, einem anderen Kunden, ins Gespräch. Er lud uns auf eine Erfrischung zu sich nach Hause ein und schenkte mir ein Paar Radhandschuhe, da ich im Shop nichts Passendes gefunden hatte. Danach führte er uns noch zu den Sehenswürdigkeiten nach Bastam.
Nach der Besichtigung der beiden Moscheen fuhren wir Richtung Mashhad aus der Stadt und platzierten uns am Straßenrand, in der Hoffnung, wieder eine Mitfahrgelegenheit auf einem LKW zu finden. Die Straße vor uns führt bis Mashhad über 500 km durch unbewohnte Wüste, mit lediglich zwei Städten: Sabzevar und Neyshabur. Die Fahrt per Rad war uns zu gefährlich. Es gibt kein Wasser unterwegs und vereinzelt tauchen wohl wilde Raubkatzen auf (wir haben die Warnschilder am Straßenrand gesehen). Per Zug wollten wir nicht reisen, weil Räder und Gepäck in einem anderen Zug transportiert würden; das war uns zu heikel. Und per Anhalter räumte man uns gute Chancen ein.
Außerhalb der Stadt wehte ein extremer Seitenwind (die Gegend ist dafür berüchtigt). Glücklicherweise hielt nach einer Stunde einer dieser vielen blauen Zamyad-Pickups. Der Fahrer bot uns die Mitnahme bis Mashhad an. Wir waren glücklich. Wir räumten gemeinsam seine Ladung beiseite, um Platz für die Räder zu schaffen. Unterdessen stürzte mein Rad um; so heftig war der Wind. Unsere Räder passten gerade so auf die Ladepritsche. Damit nichts wegfliegt während der Fahrt, spannten wir noch die dicke Stoffplane über die gesamte Ladung. Und das war nicht einfach: durch den starken Wind flatterte die schwere Plane wie ein Segel und wir waren zu drei Männern eine Stunde! beschäftigt, bis alles flatterfrei verzurrt war.
Unser Video auf YouTube:
Filmclip zur Strasse hinter Shahrud: Clip
Um 19:00 fuhren wir los. Wir rechneten mit einer Ankunft in Mashhad gegen Mitternacht oder später. Das teilten wir dann auch sofort unserem Warm Showers Kontakt in Maschhad mit. Wir könnten auch spät in der Nacht ankommen, wäre kein Problem. Dank an Majid und Elham für dieses Entgegenkommen. Das ersparte uns die Zeltplatzsuche mitten in der Nacht.
Es war sehr eng neben dem Fahrer. Zwischen sein Handgepäck und 2 großen Thermoskannen quetschten wir uns nun noch mit unseren Lenkertaschen. Das Fahrerhaus dieser Pickups ist ungewöhnlich klein und tatsächlich nur für 2 Personen ausgelegt. Wir saßen so dicht wie Sardinen in der Dose. Die sommerliche Hitze war dann das i-Tüpfelchen. Irgendwann klebten wir dann förmlich aneinander. Aber wir machten einige Pausen und luden unseren Fahrer unterwegs zum Essen ein.
Ziemlich zermartert erreichten wir um 2 Uhr nachts dann Maschhad. Unser Fahrer fuhr uns tatsächlich bis vor die Haustüre von Majid und Elham. Um 4 Uhr lagen wir dann im Bett.
Dienstag, 31.05.15
Wir riefen frühmorgens im turkmenischen General-Konsulat an und fragten, ob unsere Visa schon abholbereit seien. Die offizielle Bearbeitungszeit von acht Werktagen seit der Beantragung in Teheran war zwar noch nicht verstrichen, aber vielleicht waren die Jungs ja schneller. Da müssten wir persönlich vorbeikommen; am Telefon gäbe es keine Auskunft. Das Konsulat hat auf bis 12 Uhr. Ich war ja schon froh, dass es nicht aus irgendeinem Grund geschlossen ist für x Tage (so wie zweimal in Teheran). Also fuhr ich hin. Majid begleitete mich. Die Visa waren leider noch nicht fertig. Ich solle in 2 Tagen noch einmal vorbeikommen.
Jedenfalls war es gut, dass Majid mich zum Konsulat gelotst hatte. Er kannte die Adresse und den Weg dorthin. Ich wäre nämlich an die Stelle gefahren, die auf der Website des Konsulats in deren Karte eingezeichnet ist. Und diese Ortsangabe war prompt falsch. Aus welchem Grund auch immer.
Nachmittags fuhren wir dann mit dem Taxi ins Zentrum. Und so eine Taxifahrt in Mashhad ist ein Erlebnis für sich: Der Verkehr ist schlimmer als in Teheran. Die Fahrer gönnen sich selten mehr als 10 cm Seitenabstand; im Kreisverkehr wird sowohl nach den alten, als auch nach den neuen Regeln gefahren (seit 5 Jahren hat Vorfahrt, wer sich im Kreisverkehr befindet). Der Fahrstil ist sehr grenzwertig. Nichts für schwache Nerven. Uns wunderte es immer wieder, dass es keine Unfälle gibt.
Wir schlenderten unter anderem über den Bazar Reza. Dort gab es Safran in enormen Mengen in jedem dritten Geschäft zu kaufen (Maschhad ist bekannt dafür).
Mittwoch, 01.06.16
Nach dem Frühstück fuhren wir mit Majid per Fahrrad zum Ferdowsi Tomb, der Gedenkstätte für den großen Poeten Ferdowsi. Währenddessen kochte unser Lunch im Steintopf auf kleiner Flamme fünf Stunden vor sich hin: Dizi, eine iranische Spezialität bestehend aus Schafsfleisch mit Kartoffel, Gemüse und weiteren Zutaten. Majid war ein begnadeter Hobbykoch und wollte uns auf unsere letzten Tage im Iran noch möglichst viele iranische Spezialitäten zukommen lassen, die wir bisher noch nicht probiert hatten. Abends setzte sich dieses Programm in einem kleinen Restaurant fort: Es gab Sirabi, Schafsmagen in einer schmackhaften Suppe. Zum Nachtisch wurde noch einmal Kale Pache serviert. Lecker, lecker.
Majid will in ein bis zwei Jahren auch mit dem Fahrrad auf große Reise gehen. Er spielt mit dem Gedanken, sich in Deutschland ein gutes Reiserad zu kaufen; wenn er denn ein Visum bekommt. Viele hochwertige Komponenten sind im Iran leider nicht erhältlich. Und manche Einzelteile an unseren Rädern waren ihm nicht bekannt. Da fachsimpelten wir bis tief in die Nacht und erstellten quasi eine Einkaufsliste für sein Rad.
Donnerstag, 02.06.16
Früh um 7:30 Uhr machte ich mich auf den Weg zur Botschaft in der Hoffnung, dass unsere Visa heute abholbereit sind. Sie waren abholbereit. Ich gab die Pässe ab und bezahlte die 110 US-Dollar. Um 16 Uhr könnte ich die Pässe samt Visa abholen. Das war genau das Zeitfenster, in dem für heute heftiger Regen mit Sturm vorhergesagt war. Mit Hinweis auf den angekündigten Regen und die 15 km Strecke per Rad vom Norden Maschhads bis zum Konsulat im Süden der Stadt fragte ich, ob sie die Visa nicht jetzt direkt fertigstellen könnten. Nein, zu viel zu tun (merkwürdig; außer mir war keiner da). Außerdem würde es nicht regnen heute.
Um 15 Uhr machte ich mich erneut auf den Weg. Der Himmel war schwarz; in der Ferne hörte man Donnergrollen. Das kann ja heiter werden, dachte ich. Nach 2 km fielen die ersten Tropfen. Ich zog widerwillig meine Regenkleidung an (der Schweiß lief mir schon ohne die Regenkleidung aus allen Poren) und dann brach der große Gegen los. Es schüttete wie aus Eimern. Die Straße verwandelte sich in eine Seenlandschaft und war stellenweise spiegelglatt. In einer engen Kurve hätte ich mich fast hingelegt. In Verbindung mit dem Verkehr war das nicht ungefährlich.
Ich war pünktlich am Konsulat und nach drei Minuten hielt ich unsere Visa in den Händen. Geschafft! Endlich! Was war das für eine schwerer Geburt! In Teheran erst zweimal vor verschlossener Türe gestanden, dann für einen Tag per Zug von Semnan nach Teheran zurückgefahren, nur um die Visa-Anträge abgeben zu dürfen und in Maschhad dreimal die 15 km quer durch die Stadt zum Konsulat geradelt, im Finale dann noch den einzigen Regenschauer der Woche mitgenommen. Doch wir hatten unser Visum. Und das ist nicht jedem garantiert. In letzter Zeit häufen sich nämlich die Ablehnungen aus reiner Willkür.
Lesetipp: Visa & Einreisebestimmungen aller Länder – Übersicht
Jetzt hatten wir alle Visa für Zentralasien beisammen und unsere Route für die kommenden 4 Monate stand fest:
- am 7.5. den Iran Richtung Turkmenistan verlassen
- 5 Tage durch die turkmenische Wüste
- danach über Buchara und Samarkand 30 Tage durch Usbekistan
- dann über Duschanbe und den Pamir-Highway 45 Tage durch Tadschikistan
- weiter über das bis 60 Tage visumfreie Kirgistan über Osh und Bischkek bis nach Kasachstan im Norden.
Danach stand China auf dem Plan. Die Visa-Beschaffung für China wäre dann unsere nächste Baustelle.
Abends war dann unsere Packliste das große Thema für Majid. Was braucht man auf einer Radreise? Welche Dinge haben sich bewährt? Was kostet das Equipment? Usw. Das war ein Abend-füllendes Programm bis um 2 Uhr in der Nacht.
Lesetipp: Deine Packliste für Radreisen
Freitag, 03.06.16
Wir schliefen bis 11 Uhr. Der lange Abend und meine insgesamt 60 km per Rad durch die Stadt hatten ihre Spuren hinterlassen. Wir packten und waren um 14 startklar. Majid begleitete uns noch bis zum Stadtende; dann verabschiedeten wir uns.
Unser Weg führte wieder durch endlose, unbewohnte Steppe Richtung Sahraks nahe der Grenze zu Turkmenistan. Vereinzelt säumten einige gewerbliche Grundstücke die Straße. Kurz vor Einbruch der Dämmerung fragten wir an einem solchen Gelände nach Wasser für unserer Flaschen und wurden noch auf einen Tee eingeladen. Zufällig gab es dort auch einen Raum mit Bett und TV, den man uns zum Schlafen anbot. Das lief ja glatt heute Abend. Wir hatten für heute mit dem Zeltaufbau in der Steppe gerechnet.
Samstag, 04.06.16
Um 7 Uhr war reger Betrieb auf dem Gelände. Wir hatten noch nicht fertig gepackt, da lud uns das Team von der Frühschicht zum gemeinsamen Frühstück ein. Sie freuten sich, dass sie uns zu Besuch hatten. Nett.
Als wir losfuhren, hatten wir schon wieder über 30 °C. Wir nutzten den ersten schattigen Platz an der Straße für eine Pause. Da hielt ein Eiswagen und der Fahrer drückte uns 2 Eis am Stiel in die Hand. Danke! Das tat gut.
Kurz vor Mittag versuchten wir noch einmal unser Glück per Anhalter, um mehr zeitlichen Spielraum zu haben, vor der Dunkelheit das nächste Dorf noch zu erreichen. Denn nur dort gab es Wasser. Unser Wasser-Verbrauch stieg durch die hohen Temperaturen in den letzten Tagen auf viele Liter an.
Nach kurzer Zeit hielt ein Zamyad-Pickup und nahm uns mit. Annett nahm vorne neben dem Fahrer Platz, ich setzte mich wieder auf die Pritsche zwischen Räder und Packtaschen. 70 km nahm er uns mit. Und zufällig war da auch noch der Aufstieg in ein größeres Gebirge mit enthalten. Das freute uns natürlich. Denn das hätte uns wieder einige Stunden gekostet.
Unser Video auf YouTube:
Filmclip zur Fahrt mit dem Pickup: Clip
So blieb uns am Nachmittag noch ausreichend Zeit, um die Fahrt durch dieses Gebirge in vollen Zügen zu genießen. Es war nicht nur unsere erste landschaftliche Abwechslung seit Semnan, sondern auch ein echtes landschaftliches Highlight. Die Hügel waren fast kahl; das Gestein leuchtete im Sonnenlicht in unzähligen rot-braunen Farb-Nuancen. Zwischen den von der Witterung glatt geschliffenen Flächen ragten immer wieder härtere Gesteinsschichten hervor. Geologisch ist diese Landschaft sehr spannend.
Unsere Videos auf YouTube zur Landschaft vor Sahraks:
Unterwegs hielt ein Wagen eines iranischen Rundfunksenders auf meiner Höhe. Das Team war begeistert, uns Reiseradler hier anzutreffen und eröffnete spontan ein Interview mit mir. Sie hielten mir das Mikrofon vors Gesicht und schauten mich erwartungsvoll an. Ich erzählte dann auf Englisch alles, was mir zu unserer Reise auf Anhieb einfiel. Zum Abschluss gab es noch ein Foto-Shooting und einen herzlichen Abschied.
Hinter dem Gebirge lag eine Dorf-ähnliche Ansammlung von Häusern. Weiterfahren war uns im Hinblick auf die späte Stunde zu riskant (nach unserer Karte kam kein Dorf mehr auf den nächsten 20 km). Auf der Suche nach einem Schlafplatz für die bevorstehende Nacht fragten wir uns durchs Dorf und landeten beim Hodscha. Er öffnete uns das Obergeschoss in der Moschee, wo wir unsere Matten ausbreiten durften. Für die Kinder im Dorf waren wir natürlich eine seltene Erscheinung. Dementsprechend spannend war es, jeden unserer Handgriffe zu verfolgen und uns bis in den späten Abend zu belagern.
Die Nacht war viel zu heiß zum Schlafen. Wir hielten die Tür und 3 Fenster offen, doch viel brachte das nicht. Im Obergeschoss der Moschee stand die Hitze. Durch das elektrische Licht waren natürlich auch Insekten in Hülle und Fülle in unseren Schlafsaal geflogen. Und die summten uns jetzt um die Ohren. An Schlaf war da nicht zu denken. Das Top-Modell war übrigens ein 5 cm langer Brummer, dessen Propeller schon von weitem zu hören war und der uns mehrmals wie im Blindflug attackierte. Wir halfen ihm dann wieder in die Freiheit.
Um 23 Uhr hörte ich, wie jemand das Türschloss von dem Gebäude öffnete, in dem unsere Räder standen. Ich stand auf, um nachzusehen … und tatsächlich: Es war jemand in dem Raum mit unseren Rädern. Ich ging hinunter, öffnete die Türe und sah den Hodscha, wie er sich an unseren Packsäcken zu schaffen machte. Es war ihm sichtlich peinlich, dass ich ihn da wohl erwischt hatte. Er legte blitzschnell wieder alles an seinen Platz, eilte aus dem Raum und schloss brav wieder ab. Ich war irritiert. Ausgerechnet der vertrauenswürdigste Mensch im Dorf schnüffelte in fremden Sachen herum. Dieses Dorf war keine glückliche Wahl.
Sonntag, 05.06.16
Nachts um 3 Uhr ging plötzlich das Licht in der Moschee an und irgendjemand begann mit seinen Gebeten. Dann ertönte aus dem Lautsprecher noch der übliche Aufruf zum Gebet für das ganze Dorf. Um 3:30 war dann wieder Ruhe.
Um 6:30 brannte die aufgehende Sonne durch die offene Türe genau auf unsere Schlafstelle. Das war wirkungsvoller als ein Wecker und so hatten wir um 7 gepackt. Ich ging zum Haus des Hodschas gegenüber der Moschee und signalisierte, dass ich gerne unsere Räder aus dem verschlossenen Raum holen wollte. Doch der Hodscha war nicht da und nur er hatte den Schlüssel. Aber der Sohn konnte uns helfen. Er fuhr direkt mit dem Motorrad los und kam nach 15 Minuten mit dem Schlüssel zurück. Puh! Das ging ja nochmal gut.
Die Hitze und der Seitenwind machten das Radeln sehr anstrengend. Im ersten Dorf nach 20 km suchten wir uns Schatten für eine Pause. Da sprach uns der Bürgermeister an und lud uns auf Tee und Lunch ein. Derweil legte er unsere Wasserflaschen ins Eisfach. Nach dem Lunch waren wir so platt, dass wir im Sitzen auf der Couch fast einschliefen. Dem Bürgermeister ging es nicht anders. Er holte ein paar Decken und wir legten uns allesamt im Wohnzimmer schlafen bis um 15 Uhr. Als wir uns verabschiedeten, hatten wir dann 6 Liter Wasser in gefrorenem Zustand am Rad. Das versprach kalte Getränke, zumindest für die nächste Stunde. Sehr erfrischend.
Noch 30 km bis Sahraks. Nichts als flache Steppe und heiße 44 °C. Um 18 Uhr erreichten wir Sahraks. Zufällig lag am Ortseingang eine dieser Rettungsdienst-Stationen. Wir wollten nach einem Schlafplatz fragen und hielten an. Da kamen sie uns schon entgegen und boten uns Dusche und Übernachtung an. Als wenn sie Gedanken lesen könnten. Wir freuten uns, vor allem auf die kalte Dusche. Schlafen konnten wir im klimatisierten Gebetsraum.
Wir nutzten die Waschräume für unsere letzte große Wäsche im Iran. Danach fielen wir hundemüde ins Bett.
Montag, 06.06.16
Unser letzter Tag im Iran. Morgen wollen wir frühzeitig über die Grenze nach Turkmenistan. Der Rettungsdienst bot uns an, auch die nächste Nacht zu bleiben, was uns sehr recht war.
Nach dem Frühstück fuhren wir zur Post, denn wir wollten einige Bücher, die wir im Iran erstanden hatten, sowie einige Kleidungsstücke in die Heimat schicken. Laut gestriger Beschreibung vom Bürgermeister befand dich die Post kurz vor der turkmenischen Grenze.
Wir fragten uns durch bis zum vermeintlichen Postgebäude und landeten zunächst an einem Polizei-Schalter. Sie wollten unsere Pässe haben und verschwanden damit im Gebäude. Das roch nach Grenzstation, obwohl es von außen nicht so aussah.
Ich ahnte, dass wir gerade versehentlich die Ausreise-Formalitäten eingeleitet hatten und rief hinter den Beamten her: „no Turkmenistan, only Post“. Sie kamen zurück und ich versuchte, mit meinem Farsi-Englisch zu erklären, dass wir heute nicht ausreisen wollten. Sie verstanden und beschrieben uns den Weg zur „richtigen“ Post. Dies hier sei keine öffentliche Post. Wir wären heute also fast ausgereist aus dem Iran; nur mit unseren Rädern, ohne Gepäck (das hatten wir in der Rettungsstation abgestellt). Da hätten wir ja mächtig Chaos verursacht.
Wir fuhren zur richtigen Post. Doch da hieß es: Paketversand nach Deutschland geht nicht von Sahraks aus. Da müssten wir nach Maschhad fahren. Aber die weiblichen Angestellten brannten darauf, sich mit uns fotografieren zu lassen. Sie nannten uns noch den Preis für unsere immerhin 3,5 kg: über 50 Euro! Ups! Das war happig. In Teheran nannten sie uns viel niedrigere Preise. Jetzt bereuten wir, dass wir das Paket nicht schon in Teheran aufgegeben hatten.
Wir kauften noch Lebensmittel für die bevorstehenden fünf Tage durch die turkmenische Wüste und versuchten, unser letztes iranisches Geld unter die Leute zu bringen. Doch das war nicht einfach: ständig wurden wir eingeladen oder bekamen die Dinge, die wir kaufen wollten, geschenkt.
Ab heute begann übrigens der islamische Fastenmonat Ramadan. Nach Aussage der Einheimischen hat das aber wohl keinen Einfluss auf unsere Lebensmitteleinkäufe.
Dienstag, 07.06.16
Um 6:30 Uhr standen wir auf, um 8:30 Uhr waren wir an der Grenze Iran-Turkmenistan. Bis hier lief alles glatt. Doch das sollte sich schnell ändern:
Pässe abgeben, alle Packtaschen auf, Foto- und Film-Material checken lassen; das kannten wir schon. Gepäck und Film-Kameras waren ok. Dann sollten wir warten. Viele Fernfahrer wurden vor uns abgefertigt. Geht halt schneller und hat Vorrang.
Irgendwann hockten sie dann über unseren Pässen und diskutierten untereinander. Es sah so aus, als stimme etwas nicht. Und tatsächlich: wir waren einen Tag zu spät dran mit der Ausreise. Nach dem islamischen Kalender wäre gestern unser letzter Tag gewesen; der Beamte in Ardebil hatte aber fälschlicherweise den 07.06.16 unseres Kalenders in die Visa-Verlängerung in unsere Pässe geschrieben. Wir sollten 160.000 Toman (40 Euro) für diesen einen Tag der Visa-Überschreitung zahlen. Ich weigerte mich, weil es nicht unser Fehler war.
Dann folgte eine Stunde Palaver auf der Grenzstation. Ich wurde durch alle Instanzen gereicht und überall hieß es: Wir müssten zahlen. Ich weigerte mich trotzdem. Dann nannten sie 32 US-Dollar als Betrag. Der Rabatt war mir ziemlich egal. Mir ging es ums Prinzip. Denn ich sah nicht ein, für Fehler anderer Stellen Strafe zu zahlen. Doch die Grenzpolizei blieb knochenhart: ohne Bezahlung ließen sie uns nicht ausreisen.
Um nicht den ersten Tag unseres 5-Tage-Aufenthaltes in Turkmenistan völlig ungenutzt verstreichen zu lassen, zahlte ich dann zähneknirschend. Das Ganze war natürlich mit viel Schreibkram verbunden. Danach dauerte unsere Pass-Abfertigung nochmals eine Stunde. So verließen wir den Iran nach 4,5 Stunden! Spießrutenlauf.
Wir fuhren durchs Niemandsland über eine fürchterliche Schotterpiste. Dann begann die Grenzabfertigung auf turkmenischer Seite. Pässe abgeben, Gepäck scannen, Kameras checken und Fragen beantworten: welche Nationalität? Germany (steht eigentlich groß genug auf unseren Pässen); welche Route nehmen wir? Über Mary, Turkmenabad und Farup (das bekam ich gerade noch zusammen); welche Hotels haben wir gebucht? Schluck! Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich tat so, als suche ich den Zettel mit den Hotelbuchungen und spielte Betroffenheit vor, weil ich ihn nicht fand. Er zögerte, … und dann gab er die Pässe doch weiter an den Kollegen. Ich atmete auf. Das war knapp.
Das Foto, das ich im Niemandsland gemacht hatte, entdeckten sie natürlich beim Check unserer Kameras. Das durfte ich dann umgehend löschen. Dann wurden unsere Pässe noch durch drei weitere Hände gereicht (es schien so, als hätten sie alle noch nie einen deutschen Pass in der Hand gehabt) und nach einer Stunde durften wir fahren. Wir waren in Turkmenistan.
Weiter geht es im Artikel Turkmenistan 2016
Resümee Iran
Insgesamt waren wir zwei Monate im Iran unterwegs und sind dabei 1900 km geradelt. Und wir haben mittlerweile die 100.000 Höhenmeter-Marke auf unserer Reise erreicht.
Die Gastfreundlichkeit und die Hilfesbereitschaft der iranischen Bevölkerung sind überwältigend. Wir wurden oft eingeladen oder bekamen Lebensmittel geschenkt.
Auch die Fülle an orientalischen Bauwerken, allen voran die Moscheen in Shiraz, Esfahan und Kashan, haben uns beeindruckt. Ebenso die Wüste im Osten des Landes sowie die Berge im Westen.
Die intensive polizeiliche Beobachtung nervte etwas. Vor allem, wenn eine Zivilstreife dann eine private Einladung zur Übernachtung verhindern wollte.
Neben den vielen Einladungen zur Übernachtung nutzten wir, wenn möglich, den Rettungsdienst Helal Ahmar. Aber Zelten war auch nie ein Problem.
Wir waren vom Iran begeistert und würden dieses Land jederzeit wieder bereisen. Vielleicht entfällt ja in der Zukunft die Visa-Pflicht für uns. Man denkt wohl darüber nach.
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